LWB Luxemburger Wörterbuch
 
Gäns bis Gëawers (Bd. 2, Sp. 16b bis 18a)
 
Gäns F.: «Gans» — im Pl. gilt im Ösl. fast ausschließlich die Form Gänsen (Nösl. jεnzən), sonst daneben auch Gans (cf. Bruch, Grundlegung, Karte 42/J, II53, B) — Formen mit n-Schwund vor Spirans sind im Südwesten erhalten (cf. op. cit. Karte 37/H, II41, A), am geläufigsten erscheint hier Gaus im Sg. und Gäis, Geis lok. auch Gis im Pl., ältere Einzahlformen sind Gas, Gus, Goas, Gous, ältere Mehrzahlformen sind Gees und Géis (heute kaum noch zu belegen), auch sonst im Gutland erscheint gelegentlich Gausen im Pl. — der männl. Vogel heißt Guntert, Gunz (s. d.)1) der Vogel - wëll G.-(a. eigtl.: «Graugans, Saatgans»; b. bisw.: «Schneegans», wofür allg. Hol-, Hoergäns s. d.) — dräi Gänsen an e Framënsch maachen e Maart — wann d'G. wéischt sin, da päife (fauchen) se — d'G. schnadderen — Märtesgäns (für Martinustag gemästete Gans, früher meist für den Dorfherrn oder Pfarrer bebestimmt); 2) übtr.: «Überschnappen beim Spielen eines Blasinstrumentes mit Schnarrwerk (instrument à anche)»; 3) übtr. auf Menschen: «törichtes Frauenzimmer» — auf [Bd. 2, S. 17] Backfische bezogen, auch: Gäns-chen (cf. auch Gaus II); 4) übtr. auf Gegenstände: a) «viereckiges Eisenplättchen zum Festhalten einer Schraube»; b) «in Zement eingelassenes Eisenplättchen mit runder Vertiefung zum Festhalten eines Eisenstiftes» (dafür auch: Pännchen); 5) Spiele: a) Knabenspiel = Giisch(t) — s. d.; b) auch für Gänsespill.
 
Gäns- -ducker M.: «Polartaucher, Colymb. artic.»; -kapp M.: «Dummkopf» (cf. auch Gäässekapp).
 
Gänse(n)- N.: «Gänseei» — Gänsen- an Intenär si fir an den Deeg; -been Pl. N.: in der Druckerspr.: «Gänsefüßchen, Anführungszeichen»; -brot M.: «Gänsebraten»; -hiirt M.: «Gänsehirt» — dafür älter: Guussert (s. d.); -himmel M.: 1) «Aufenthalt der Seelen der verstorbenen ungetauften Kinder»; 2) spaßh. in der Ra.: bas d'am G.? (zu jem. der in den hellen Tag hineinträumt); -käerz F.: «Hirtentäschel, Capsella bursa pastoris» — dafür auch: Häerzkraitchen; -käil M.: «Gänsekiel» (Gänsefeder zum Schreiben); -kraut N.: «kleinblütige Sternmiere» — dafür auch: Gääss-, Geess-, Géiss-, Gissekraitchen (cf. auch Gäässkraut); -kraitchen (auch: Gäns-) N.: 1) «Feldgauchheil, Anagallis» — dafür auch Gähäil, -häl; 2) «Gänsedistel» — dafür auch: Dalem-, Daudëschtel; -liewer F.: «Gänseleber»; -marsch M.: «Gänsemarsch» (einer hinter dem andern); -paschtéit F.: «Gänseleberpastete»; -plaum F.: «Gänseflaumfeder»; -spill N.: «Gänsespiel» (Würfelspiel); -staf M.: «Daunenfedern der Gans».
 
Gäppchen M.: 1) eigtl.: «Öllampe nach römischer Art», s. Gäbberchen, Ueleggäppchen — Nach dem Volksglauben brennen die den Toten zur Römerzeit beigegebenen Lampen bis zu dem Moment, wo das Grab geöffnet wird, erlöschen dann aber sofort; 2) verallgemeinernd: «kleines Licht»; z. B. a) «durch Öl genährtes Nachtlicht»; b) «fortwährend brennendes Zündungsflämmchen am Gasheizofen»; c) spaßhaft: «durch Branntweingenuß oder Schnupfen gerötete Nase»; 3) «kleine Handhabe an Geräten und Maschinenteilen»; 4) «kleines Motorfahrzeug» (Motorrad oder Kleinauto).
 
gär(en) (phV.: Nösl. jε:ərən, jεrən, Echt. gε:iər, Stadtlux. gi:ər(ən)) Adj./ Adv.: «gern, lieb» — ech hun dech g. (ich liebe dich) — vu Gärhu war keng Ried (Geldheirat) — du kanns mech (fir fënnef Su) g. hun (laß mich in Frieden) — e gesäit d'Meedche g. (er findet Gefallen an dem Mädchen, empfindet eine Zuneigung zu dem Mädchen) — se krute sech g. (sie gewannen sich lieb) — ech géif, géing, déit (seltener géich) g. (ich möchte) — de gären Doud stierft nët (man stirbt nicht auf Wunsch); dazu (lok. Osten): et gäierzt nët (es paßt mir nicht).
 
gären intr. Verb.: «gären» (Part. Praet.: geguer(en) = abgestanden) häufiger dafür hiewen, opgoen (s. d.); dazu die Komp.: Gär-bidden F.: «Maischbottich»; -dëppen N.: «Gärspund», dafür auch: -pont F.; -faass N.: «Lagerfaß, in dem der Wein gärt»; -keller M.; -pont F. (s. -dëppen); das Adj. gäreg erscheint nur in Zussetz.: ënner-, iwwer-, lougäreg (s. d.).
 
gärren intr. Verb.: = garren (s. d.).
 
Gässel (Dim. Gässelchen, Gässchen, Osten: Geesselchen, Westen: Gëssel) F.: 1) «Gäßchen, Durchgang, enger Raum zwischen zwei Häusern» — übtr.: dat war mer duerch d'G. gaang (ich hatte es in der Hast vergessen) — en as duerch d'G. (er ist verschwunden); 2) bisw. ländlich: «Sackgasse» — in Stadtlux. dafür Kidsack (= frz. cul-de-sac); 3) bei Kinderspielen: «durch zwei Reihen von Kindern gebildete Gasse» — im Abzählreim: Ini, dini, Gässelchen / Do wunnen dräi Madammen dran / Déi kucken all de Bierg eran / Déi eng déi steet / Déi zweet déi geet / Déi drëtt déi lääft zum Bronnen / Si huet e Kand gefonnen / Wéi soll et heissen? / Zéckelchen oder Geisschen / Wie soll him déi Wëndele wäschen? / Onsen alten Plaudertäschen / Tipp, tapp, Tor aus, du bas aus.
 
Gäst F.: «Bierhefe» (früher beim Landbier).
 
Gätt(chen), Gätti (wofür bisw. auch Jätti, Jhätti) weibl. Vorn.: «Agathe».
 
ge- (gespr.: immer nur gə- mit dem Indifferenzlaut, vor vokalisch anlautendem Stamm häufig, bes. in fließender Rede, nur noch als g- mit folg. Glottisverschluß hörbar) Worbildungssuffix: [Bd. 2, S. 18] außer der schon urgerm. vorhandenen Funktion, dem Verb die Bedeutung des momentanen Geschehens, des Geratens in einen Zustand oder des Abschlusses eines Vorgangs zu geben, in welcher es im Part. Prät. allmählich allgemein notwendig geworden ist (mit zahlreichen Ausnahmen im Luxemburgischen, für die auf die einzelnen Verben verwiesen sei — etwa: bruecht «gebracht», fond «gefunden», gaang(en) «gegangen», kaaf(t) «gekauft», kannt «gekannt», konnt «gekonnt», kritt «gekriegt» usw.), fallen dieser Vorsilbe im Luxemburgischen vor allem die beiden Funktionen zu: 1) von sozusagen allen Verben kollektive Substantive zu bilden, welche eine Wiederholung oder ein Andauern, gelegentlich den Träger dieser Handlung, einen oft lästigen oder lächerlichen Gegenstand, bezeichnen, und 2) zu fast allen Substantiven Sammelnamen (mit oder ohne verächtl. Nebensinn) zu bilden; in beiden Fällen tritt an das mit ge- gebildete Kollektivum meist das Suffix -s an, das dem allgemein in mitteldeutschen Mundarten üblichen Kollektivsuffix ze (= niederdeutsch -te) entspricht (cf. Kluge, Deutsche Wortbildung § 29, b). Nachfolgend sind nur die typischsten dieser Bildungen berücksichtigt, da sie letzten Endes von jedem Verb oder jedem Dingwort abgeleitet werden könnten.
 
Gëaafs N.: «Gafferei».
 
Gëabberzuels, Gelabberzuels N.: «Hang zur Weitschweifigkeit, lästiger Wortschwall».
 
Gëaffers N.: nur pej. 1) «(allzu häufig) wiederholter Opfergang» (vom Standpunkt der Kirchgänger); 2) «(geringer) Ertrag des Opfergangs» (vom Standpunkt des Geistlichen).
 
Gëaiders N.: «dralle Euterbildung» (iron. auf starke Frauen übtr.).
 
Gëappers N.: «schlechte, säumige Handlangerdienste» — da's en aarmt G. wat dee féiert.
 
Gëawers N.: «anhaltender, unkonstruktiver Widerspruch, lähmende Unschlüssigkeit».

 

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