LWB Luxemburger Wörterbuch
 
Kiem bis Kierfchen (Bd. 2, Sp. 346b bis 348b)
 
Kiem (lok. phV. des Tonvokals cf. Ltb. 17) M.: «alter Weg», an vielen Stellen: «Römerweg». — Kurzform aus anfangsbetontem vulgärlat. (gallorom.) cam(m)inus 'Weg' (REW 1552; FRINGS Germania Romana S. 69, Fn. 2); verwandt ist Kamäin II/272 (mit dem Ton auf der zweiten Silbe). Die Vollform liegt vor in der Ortsbezeichnung Kiemen (s. den folg. ON). Als Flurn. wird es mit mannigfachem Suffixwechsel gebr.: Kiem(t)- chen, Kiemech-(ich), Kiemel, Kiemer(t), Kiemet, sowie in Zusammensetzungen wie: Aile- (s. Aul I/38), Hier(d)-, Hou-, Hunne-, Lenz(e)-, Metze(r)-, Steekiemert sowie Kiemelbaach, Kiemestécker, -wee; das Diminutivum Kiemchen kann sich als Kämmel, Kämmchen, Kämpchen mit Kamp I sub 3/c und II (Bd. II/274 f.) vermengen. Zur Verbreitung der Kiem-Namen s. MEYERS, Siedlungsgeschichte S. 37, Karte 9. Synonyme Toponymika: ale Wee, Alwee, Hedewee, héije Wee, Réimerpad, Rennpad, stengege Wee, Steewee u. a.
 
Kiemen (lok. Kemen) ON.: «Kehmen» — Gem. Bourscheid, Kant. Diekirch [Bd. 2, S. 347] — 163 (MEYERS, Siedlungsgeschichte S. 101 — cf. auch d. vor.).
 
Kien, Kinn F.: 1) «Lottospiel» — dabei insbesondere der Ruf des Spielers, der die fünf mit Zahlen versehenen Felder einer horizontalen Reihe (frz. la quine) besetzt und also gewonnen hat; 2) allgem.: «Quint, Fünfertreffer beim Spiel, unverhofftes Glück». — Das bei Ga. in frz. Rechtschreibung (Quine S. 360) und Wb. 06 an zwei Stellen vermerkte Wort ist heute kaum noch gebr.; früher galt beim Kartenspiel auch Quënt (s .d.).
 
Kiepchen neben Käppchen (Pl. Kiepercher, Käppercher, -chen — Osten um Echt. auch Käppcher) F.: Dim. zu Kap «Kappe» (s .d.) — im bes. «Kinderhäubchen, Kindermütze».
 
Kiepchen Pl. Kiebercher M.: Dim. zu Kuep «Rabe» (s. d.).
 
Kier M.: lok. phV. (bes. der Hauptstadt) zu Kär «Kern» (s .d.).
 
Kier F.: Deverbativum zu kieren (s. d.).1) «Handlung des Fegens, zu fegende Fläche» — si hun eng grouss K. vrum Haus; 2) «Resultat des Fegens, Kehricht» — tried (trëll) mer nët an d'K. — von einem Gewohnheitstrinker heißt es: se hun e muerges mat der K. erausgeschëppt (aus dem Wirtshaus).
 
Kier- -aus M.: «der letzte Tanz» (nach dem sich der Saal leert, als ob er gefegt werde) — auch: Schieraus; -biesem M., -biischt F.: «Kehrbesen» — sprichwörtl. Waffe der bösen, entrüsteten Ehefrau, etwa: tommel dech, äert Kätt steet mat der K. (mam K.) hannert der Dir — déi brauche kee/ keng K., ma e Mëschtgreef (die müssen ihr Haus mit der Mistgabel säubern); -blech M.: «zum Aufnehmen des Kehrichts benutztes Blech» (siehe -schëpp); -dreck M.: «Kehricht» — cf. auch Kier F. sub 2; -fra F.: «mit dem Fegen betraute Frau» (cf. Botzfra); -jong M., -meedchen N.: «Junge, der mit dem Fegen, Säubern beauftragt ist, niederes Dienstmädchen» — wenn beim Wechseln eine kleinere Münze auf den Boden fällt, heißt es: looss et leien (béck dech nët), 't as fir d(e) K. — wat ënnert den Dësch fällt (etwa beim Auszahlen der Spielgewinne) dat as fir d(e) K. — dafür auch Kierert M., Kieresch F. (s. d.); -schär F.: «Kehrscharre»; -schëpp F.: «Kehrichtschaufel» (mit kurzer Handhabe).
 
Kierb (bisw. Kierf, Ösl. Kirp, Kirrep) Pl. meist Kierpen, selten Kierwen F.: 1) «Kurbel, Schwengel» in mannigfacher Verwendung, etwa: a) an landwirtschaftlichem Gerät, z. B. Brunnenwelle, Butterfaß, Häckselmaschine, Wagenbremse, Wäschewringer usw.; b) an Maschinen und mannigfachen technischen Vorrichtungen, z. B.: Anwerfkurbel am Auto: pass op, d'K. schléit zeréck (erop) — Drehorgel: Ich hoan e bist Handweerk, sot de Man, ich kréien d'Hand nët voan der K. (du hat en en Drioargel — Echt.) — Kaffeemühle: männs d'äich wier en K. voan er Kaffismillen an de bräichs nëmmen oa mer ze driën (hälst du mich für deinen Narren? — Echt.) — Teil des Webstuhls, zum Regulieren des Garbam (s. d. II/S. 9) — in all diesen Verwendungen dafür auch: Dréi I (Bd. I/225), Undréi, Manivell — s. auch die Verben kierpelen, kierpen; 2) «Schiffsrippe» (beim Nachenbau: die gekrümmten Hölzer (Kniehölzer), die Schiffsseiten und Boden verbinden — urspr.: Aststück mit Stamm im stumpfen Winkel, zwischen Kiel und Planken) — hierher gehört der Spottname für den Schiffbauer (Echt.): Kierpekoap M. (Pl. Kierpekeep).
 
Kierbelchen I F.: Dim. zu Kuerbel «Backkorb» (s. d.) — im bes.: «Eichelnäpfchen» — dafür auch das Komp.: Eeche(l)kierbelchen, daneben: -dëppchen, -këppchen, -päifchen — d'Kanner fëmmen (aus den) Eechekierbelcher (s. I/51).
 
Kierbelchen II N. u. F.: «Maikäfer» (lok. Synonym in Westlux. — cf. Kiewerlek).
 
Kiereft F.: = lok. Var. zu Kierf (s. d.).
 
Kierel M.: lok. phV. (bes. der Hauptstadt) zu Kärel 'Kerl' (II/320).
 
Kierel, Kierlett (lok. Kuerel, Kuerlett) F.: «Kornelkirsche» — Frucht des Kierelter, Kuerelter M.: «gelber Hartriegel, Cornus mas» — nach Rhein. Wb. IV, 1269 kennt das Wort außer Luxemburg nur die nächste saarländische Nachbarschaft. Die Frucht heißt oft wie die Staude Kierelter (mit dem Baumnamensuffix): mir hun eis Kierel(ter)en an d'Mautsch geluegt (zur Nachreife, zum Mürbewerden beiseitegelegt).
 
kieren (lok. phV. des Tonvokals cf. Ltb. 17) trans. Verb.: 1) «kehren, fegen» — Spww.: Nei Bieseme k. [Bd. 2, S. 348] gutt (gelegtl. Zusatz: ma déi al fannen d'Ecken) — Jidderee soll viru sénger Dir k., ähnlich: kier jidderee vru sénger Dir, da sin all Gaasse propper — Ra.: déi brauchen nët ze k., déi kënne mëschten (bei denen ist sehr viel Dreck) — übtr.: elo gët emol hei gekiert (gesäubert, Ordnung geschaffen); 2) «säuberlich leeren» — Spw.: D'Molteren an d'K. muss de Mëller ernieren (der Müller lebt von dem Mahllohn — s. Molter, molteren — und vom zusammengefegten Mehlstaub) — hues du nees missen de Sall k.? (mußtest du wieder der letzte beim Tanz sein?) — um véier Auer fréi hu se den Danzsall gekiert (um vier Uhr verließen sie als letzte den Tanzsaal) — hie kiert d'Kiirch (er verläßt die Kirche als letzter, er ist ein eifriger Kirchgänger) — s. auch Kieraus; 3) folklor.: hannert engem k. — s. auskieren I/41; Abl.: Gekiers N.
 
Kier(e)ner M.: «Bohrmeißel» (beim Schmied, Schlosser: «Stahlstift zum Vormerken der zu bohrenden Löcher») — das anzusetzende Etymon wäre 'Körner' (s. Rhein. Wb. IV, 1269 und KRAUSS, Wb. der nordsbbg. Handwerkssprachen Sp. 509), Wb. 06 deutet: «eigtl. Kernbohrer».
 
kier(e)nen trans. Verb.: «ein feines Loch einschlagen, um an dieser Stelle den Metallbohrer anzusetzen».
 
Kierert M., Kieresch F.: «der (die) Gassenkehrer(in)» — s .auch: Kierjong, -meedchen.
 
Kierf, Käerf, Käref (cf. auch Käreft II/320) Pl. ebenso (s. das Verb. kierwen) F. u. M.: 1) «Kerbe, Einschnitt» (in dieser Bed. dafür auch Krack, Kréck), d'Aax(t), d'Messer, d'Schäerft (die Schneide) war voller K. — Echt. übtr.: en hoat Keerf (auch: en Kärf) am Holz (etwas auf dem Kerbholz) — lok. auch bisw.: «in Blech od. Leichtmetall geschlagene Beule» (so etwa Käreft in Echt.); 2) nur M. (Ga.): «Kerbholz, Rechnungsstock» — dafür auch Kierfholz N.; 3) in der adverbialen Wendung op Kierf «leihweise» — ähnlich: op de Stack stellen (Haustiere, z. B. eine Kuh leihweise überlassen); lok. auch Kiereft, Kär(e)ft.
 
Kierf- -dag M.. «Wahltag» (Zur Erklärung s. kierwen I sub 2); -holz N.: «Kerbholz, Rechnungsstock» (auch Kierf M. sub 2) — an der Mosel bes. zum zählen der gelesenen Hotten Trauben.
 
Kierfer M.: «Beil zum Kerben».
 
Kierfchen Pl. Kierwercher, -chen M.: Dim. zu Kuerf «Korb» — bes. in der Bed. 1) «mit Blumen, Pflanzen, Obst (Erdbeeren, Pfirsichen, Trauben) gefülltes Körbchen» (s. auch Corbeille). Über die typischen Lokalbed. der Var. Kärref(t)chen, Kërref(t)chen in den Moselmundarten schreibt Batty WEBER (Abreißkalender vom 7. XI. 1924): E Kärreftchen Drauwen ist in den Wochen nach dem Herbst (s. Hierscht sub 2 Bd. II/156) in den Straßen der Stadt eine Erscheinung, die an Häufigkeit dem Kartoffelwagen (Gromperewon ist II/83 nachzutragen) nicht viel nachgibt. Aber schon früher konnte man das Wort hören, wenn man während der Lese durch die Weinberge ging und befreundete Winzerinnen einem zuriefen Kommt, schneit ech e Kärrftche voll. Das ist aufrichtig gemeint. Die Fülle des Segens macht die Leute freigebig: Wat läit un em Kärrftchen Drauwen. Hat Dich die Winzerin in ihr Herz geschlossen, so tut sie ein Übriges und nötigt Dir das Kärreftchen auf, das sie selbst schon für den eigenen Bedarf vollgeschnitten hat. Das ist meist Frauenarbeit. Sie haben alle außer dem Eimer ihr Körbchen mit, in das die schönsten Trauben hineingeschnitten werden; 2) «Vogelbauer, Käfig für kleine Haustiere» (etwa Goldhamster, weiße Mäuse usw.).

 

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