LUXEMBURGER WÖRTERBUCH


BAND I

LUXEMBURGER
WÖRTERBUCH


BAND I
A—F (V, Ph)


LUXEMBURG 1950/54
P. LINDEN, HOFBUCHDRUCKER
Copyright 1950 by P. Linden, Luxemburg

  Die am 21. Dezember 1924 gegründete «Luxemburger Sprachgesellschaft» (Gesellschaft für Sprach- und Dialektforschung — Société luxembourgeoise d'études linguistiques et dialectologiques) wurde durch Regierungsbeschluß vom 26. November 1935 in eine «Sprachwissenschaftliche, volks- und ortsnamenkundliche Sektion» (section de linguistique, de folklore et de toponymie) des Großherzoglichen Instituts umgewandelt. In ihrem Rahmen wurde die «Luxemburgische Wörterbuchkommission» ernannt, die unter dem Vorsitz von Prof. Joseph Tockert von 1935 bis 1939 die ersten wesentlichen Vorarbeiten zu dem vorliegenden Werk erledigte; das Sekretariat lag in den Händen von Prof. Helene Palgen.

  Nach dem Kriege wurde die Wörterbuchkommission durch Regierungsbeschluß vom 30. Juni 1948 neu eingesetzt und mit der unverzüglichen Veröffentlichung des gesammelten Materials betraut. Den Vorsitz führte Joseph Tockert bis zu seinem am 19. Februar 1950 erfolgten Tod. Seit 1950 ist Frl. Helene Palgen Präsidentin der Kommission. Als Mitglieder gehörten ihr seit 1948 an: Prof. Isidore Comes (Gewährsmann für die Untersauermundarten und einen Teil des Moselgebiets), Prof. Joseph Hess (Gewährsmann für die westluxemburgischen Mundarten und die volkskundlichen Beiträge), Prof. Ernest Ludovicy (Gewährsmann für Stadtluxemburg und romanische Einschläge), Prof. Joseph Meyers (Gewährsmann für den Südwesten sowie für Toponymie und Geschichte). Die Schriftleitung lag von 1948 an in den Händen von Prof. Robert Bruch.

  Vom Jahre 1949 an bis zu seinem 1953 erfolgten Tod gehörte Ackerbauingenieur J. P. Zanen der Kommission als Gewährsmann für das mittlere Ösling und die Bauernsprache an.

  Von September 1951 bis September 1952 übernahm Dipl. Ing. Jean Dumont vorübergehend die Schriftleitung anstelle von Prof. Bruch, der einen einjährigen Studienurlaub im Archiv des Deutschen Sprachatlas an der Universität Marburg/Lahn verbrachte. Ein Ministerialbeschluß vom 30. September 1952 erneuerte das Mandat der Kommission und bestätigte Jean Dumont (Gewährsmann für volkskundliche Beiträge) als Mitglied.

  Am 24. August 1953 trat Herr Jacques Kintzelé als Gewährsmann für die Bauernsprache an die Stelle des verstorbenen J. P. Zanen.

  An den wöchentlichen Arbeitssitzungen der Kommission beteiligten sich von 1950 an die Herren Pierre Würth (Gewährsmann für die Winzersprache des Moselgebiets) und Herr Henri Rinnen (Gewährsmann für das nördliche Ösling). Die naturkundlichen Artikel überprüfte Herr Ehrendirektor Prof. Gustave Faber; an der Überprüfung der Korrekturfahnen beteiligten sich die Herren Franz Binsfeld, Dr. Karl Lessel, Nicolas Pletschette.

  Über Methode und Stand der Arbeiten von 1935 bis 1939 berichtete fortlaufend die damalige Schriftführerin Helene Palgen in den «Vierteljahresblättern für luxemburgische Sprachforschung, Volkskunde und Ortsnamenkunde», Heft 8/1936 ff. Einen Überblick über Arbeitsbedingungen, Methode und Resultate seit 1948 gab der derzeitige Sekretär im «Bulletin Linguistique et Ethnologique», Heft 1/1953, S. 23 f.


Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes.


Vorwort V
EINLEITUNG VII
Erster Teil: Das Luxemburgische VII
A. Entwicklung der luxemburgischen Philologie und Lexikographie XI
B. Sprachgeschichte XXI
C. Sprachgrenzen XXX
D. Stellung des Luxemburgischen zum Hochdeutschen u. Französischen XXXIV
E. Die luxemburgische Mundart XXXIX
Zweiter Teil: Anweisungen zum Gebrauch des Wörterbuchs XLIII
A. Rechtschreibung XLV
B. Lautinventar LIII
C. Lautgeographische Tabellen LXIII
D. Aufbau der einzelnen Artikel LXV
E. Verzeichnis der Abkürzungen LXVII
WÖRTERBUCHTEXT 1
A 3
Ä 49
B 63
C 171
D 175
E 249
F (V, Ph) 295

Berichtigungen und Nachträge.


  

Alle Berichtigungen und Nachträge zum lexikalischen Teil werden erst zum Schluß in einer besonderen Lieferung zusammengefaßt.

  

Zur Einleitung ist folgendes nachzutragen:

  

S. XXXV — In der 12. Zeile soll es heißen:

  Luxemburgisch ist seit 1912 Lehrfach in den Primärschulen (Schulgesetz von 1912, Artikel 23), erst seit 1945 ist es in den Mittelschulen Pflichtfach, und kann sich . . .

  

S. LX — Bei den Frikativlauten sind zwischen die Labio-dentale und die Palatal-alveolore die Dentale einzuschieben, und zwar:


DENTALE Phonetik   Rechtschreibung
  gespannt s s oder (deutschem ß entsprechend) ss
  ungespannt z s

  

S. LXX — In der 4. Zeile von unten, lies:

  (Stellung  des  Luxemburgischen)

  

Die der ersten Lieferung beigegebene Übersichtskarte über das Luxemburger Sprachgebiet (Anlage I) ist durch die der sechsten Lieferung beiliegende ausführlichere Karte zu ersetzen. Statt der Ortsnamen des Großherzogtums und des deutschsprachigen Teils der belgischen Provinz Luxemburg steht auf der Karte die Ordnungszahl, unter welcher der betr. Ort auf der Arbeitskarte der sprachwissenschaftlichen Sektion des großherzoglichen Instituts vermerkt ist; der Schlüssel dazu ist in den «Vierteljahresblättern für lux. Sprachwissenschaft» Heft 17/18, 1939, S. 47 ff. veröffentlicht worden.

  

Die von der Kommission gewählte, dem Leser entgegenkommende, volkstümliche Rechtschreibung erhielt notgedrungen erst mit dem Fortschreiten der Arbeiten ihre endgültige Festigung. Es drängte sich dabei eine wesentliche Änderung auf, die S. 171 (sub C, 2. Absatz) formuliert ist.

 LUXEMBURGER
WÖRTERBUCH 


LUXEMBURGER
WÖRTERBUCH



Im Auftrage der Großherzoglich Luxemburgischen Regierung
herausgegeben von der Wörterbuchkommission, auf Grund der
Sammlungen, die seit 1925 von der Luxemburgischen Sprach
gesellschaft und seit 1935 von der Sprachwissenschaftlichen
Sektion des Großherzoglichen Instituts veranstaltet worden sind.


LUXEMBURG 1950 — P. LINDEN, HOFBUCHDRUCKER

  Die luxemburgische Wörterbuchkommission, Herausgeberin des Luxemburger Wörterbuchs, wurde zuerst ernannt im Jahre 1935 von Herrn Unterrichtsminister Bech und jährlich erneuert bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Im Jahre 1948 wurde sie neu gebildet durch Beschluß von Herrn N. Margue, Minister der nationalen Erziehung.

  Mitglieder:

Herr Prof. J. Tockert, Vorsitzender bis zu seinem am 20. Februar 1950 erfolgten Tode.

  Herr Prof. Robert Bruch, Schriftführer.

Frl. H. Palgen und die HH. Prof. I. Comes, Prof. J. Hess, Prof. E. Ludovicy, Prof. J. Meyers, und Ackerbauingenieur J. P. Zanen, Mitglieder.

  Vom März 1950 ab führte Frl. H. Palgen den Vorsitz.

  Für den Bezug des Gesamtwerkes wende man sich an Herrn P. Linden, Hofbuchdrucker, Großstraße 50 in Luxemburg.



— Alle Rechte vorbehalten —

Copyright 1950 by P. Linden, Luxembourg.

VORWORT

  Die zwei vorigen luxemburgischen Wörterbücher haben sich im Wesentlichen mit der Sprache der Hauptstadt befaßt. Doch wies schon das «Wörterbuch der luxemburgischen Mundart» von 1906 auf die Wichtigkeit der Lokalmundarten hin.

  Besonders aber hat der geschätzte Verfasser des «Vokalismus der Viandener Mundart» (1909), René Engelmann, sich in diesem Sinne verwandt. Das seither in reichem Maße gewonnene Material zu sichten, zu ordnen und besonders auf lexikalischem Gebiet zu ergänzen, ist der Zweck, den sich die Wörterbuchkommission in dem «Luxemburger Wörterbuch» gestellt hat.

  Ihr Ziel ist die Darstellung der neueren Sprache, wie sie sich in literarischen und lexikalischen Werken, besonders aber in dem Luxemburgischen des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Vollständigkeit in dem Wortschatz, besonders dem der Lokalmundarten, ist ja ausgeschlossen. Doch hat die Kommission die einzelnen Landesteile möglichst zur Geltung kommen lassen. In der Verwendung der technischen Vokabulare wie auch in dem, was der Herausgeber des «Dictionnaire Liégeois», Jean Haust, «néologismes», nennt, d. h. Verwendung der Ausdrücke des Französischen, in unserm Fall auch des Hochdeutschen, konnten von dem tatsächlich Vorhandenen nur beschränkte Teile aufgenommen werden. Eine Stellungnahme in der vielumstrittenen Frage der Rechtschreibung war notwendig, um die mundartlichen Teile des Werkes wiederzugeben, doch will die Kommission die von ihr angenommenen Regeln nicht als allgemeingültig hinstellen.

  Fleißige und gründliche Mithilfe von Mitarbeitern aus allen Teilen des Landes tut uns sehr not, ebenso die tätige Unterstützung der Gesamtbevölkerung durch Subskriptionen, damit unser Werk desto schneller und besser zu Ende geführt werden kann!

  René Engelmann hat uns in dieser Hinsicht einen schönen Passus hinterlassen (Floréal I, S. 164, «Ein luxemburgisches Wörterbuch»):

  «Bis jetzt ist viel Gutes getan worden, um uns die Kultur und Wissenschaft der großen Nachbarnationen näher zu bringen, zu wenig aber, um das Gute, das unser Land birgt, für die allgemeine Kultur und Wissenschaft zu erschließen. Für den geistig gebildeten Luxemburger, der mehr als ein Genießer sein will, gibt es kaum eine schönere Lebensaufgabe als in diesem Sinne nach dem Maße seiner Anlagen und Kräfte mitzuwirken.»

  Luxemburg, im Dezember 1949.

                                        Die Wörterbuchkommission.

 EINLEITUNG 



ERSTER TEIL


Das Luxemburgische


  Wir gebrauchen im folgenden den Ausdruck Luxemburger Sprache als gleichbedeutend mit den eigentlichen Bezeichnungen: das Luxemburgische, die Luxemburger Mundart. Unsere Art zu sprechen (langage) ist ja keine Hochsprache (langue) geworden, trotz der vielen Anstrengungen, die seit 1945 in diesem Sinne gemacht worden sind. Unser Raum ist nur klein, und was wir sind, fügt sich in größere Räume ein. Die deutsche Philologie (F. Wrede, der Deutsche Sprachatlas) hat uns in der Sprachkarte Europas als «Nachbarmundart» eingegliedert, und als solche wird das Luxemburgische wohl bestehen. Eine gewisse Eigenheit, die zu erörtern ist, hat es ja in unserem fast tausendjährigen politischen Bestehen gewahrt (Gründung Luxemburgs, 963).

A.
Entwicklung der luxemburgischen Philologie
und Lexikographie
1).


I. — Die Vorläufer.

  Bis zu Conrector M. Hardts «Vocalismus der Sauermundart» (1843) haben wir eigentlich keine Arbeit zu verzeichnen, die als philologisch angesprochen werden kann.

  Vor 1815 galt das Luxemburgische als «schlechte» Sprache, im Gegensatz zum «guten» Deutsch2). Unsere Urkunden, Gerichtsakten, Zivilakten, Weistümer u. a. bieten viele alten mundartlichen Ausdrücke, aber keine Texte im Zusammenhang. Einer unserer namhaften Historiker, der sich zugleich hohe Verdienste um die Sprachforschung erworben hat, N. van Werveke (1851—1926), hat aus den Archiven Zettel von früheren Formen luxemburgischer Wörter und von ausgestorbenen Wörtern zusammengetragen, wie auch viele über unsere Orts- und Flurnamen. Beide Sammlungen befinden sich in der Luxemburgischen Nationalbibliothek3).

  Unsere reichhaltigen Veröffentlichungen historischer Urkunden jeder Art (Hardt, Würth-Paquet, Grob, van Werveke, Vannérus, Abbé Wampach u. a.) sind natürlich unerschöpfliche Fundgruben für die Onomastik und Toponomastik. Auch die Volkskunde gewinnt dabei reichliches Material.

  Der philologisch-wissenschaftliche Ertrag der Periode ist hingegen äußerst gering. In seinem wertvollen Buch «Luxemburgum Romanum» gibt uns Alexander Wiltheim, soweit der Stand der Wissenschaft es damals erlaubte, die alten Formen unserer Ortsnamen und eine Anzahl etymologischer Versuche4).

  In den Historikern des 17. und 18. Jahrhunderts befinden sich vielfach ähnliche Versuche, die ziemlich alle überholt, aber als Materialbeiträge unentbehrlich sind.

  Der Gelehrte und Journalist F. X. de Feller S. J. machte während eines längeren Aufenthaltes in Ungarn Feststellungen, die zwar der Wissenschaftlichkeit entbehren, aber in den Diskussionen über die luxemburgisch-siebenbürgische Frage, die im 19. und 20. Jahrhundert geführt wurden, dutzendemal wiederkehren. Sie wurden in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts gemacht, aber erst nach seinem Tode im «Itinéraire ou Voyages en diverses parties de l'Europe» (Lüttich, 1820, 2 Bände) veröffentlicht.

  Das vielgelesene Buch von l'Evêque de la Basse Moutûrie, Itinéraire du Luxembourg Germanique (Luxbg., V. Hoffman, 1844) sorgte für ihre Verbreitung. Auf S. III lesen wir: «L'abbé de Feller, Luxembourgeois de naissance, a trouvé dans la Transylvanie des villages entiers où l'on parle le même langage que dans le Luxembourg. Les Saxons à Bistritz et aux environs, dit-il, parlent allemand, mais leur langage propre est l'allemand du Luxembourg; ce qui me ferait croire que les Luxembourgeois sont aussi une colonie saxonne. L'étonnement de ces Saxons comme le mien fut extrême quand nous découvrîmes l'identité de ces langues. De là j'infère que ce langage est le vieux langage allemand. Le ton et les manières de ces Saxons sont justement les mêmes que ceux des Luxembourgeois». «Les habitants de Saad, autre village saxon, en Transylvanie, ont aussi le naturel et le langage luxembourgeois.» («Itinéraire», I, pp. 277, 278, 281.)

  Ein erster wertvoller Beitrag zur deutsch-romanischen Sprachgrenze auf unserem Gebiet findet sich in offiziellen Aufnahmen von 1806, die aber erst 1924 veröffentlicht wurden: «La limite des langues en Belgique sous le premier Empire, d'après les documents officiels. Lecture faite par M. Ferdinand Brunot, à l'Académie Royale de Langue et de Littérature Françaises, Bruxelles, séance de novembre 1924. Bruxelles, Palais des Académies. Liège. H. Vaillant-Carmanne.» Brunot sagt über diese «Enquête»: «On dirait aussi bien par endroits d'une enquête de savant que d'une information de ministre.» Sie wurde von einem tüchtigen Beamten, Ch. Coquebert de Monbret, geführt. Die Liste der communes-limites (S. 27—28) weicht stark ab von der alten Trennung in Quartier wallon und Quartier allemand, die seit 1340 für die Gerichtsbarkeit bestand. Auf der Karte Homann, Nürnberg, 1730, begreift z. B. das Quartier wallon die ganze Provinz Belgisch-Luxemburg und im Großherzogtum die Orte Derenbach, Bauschleiden, Redingen, Hollenfels, Olm. Hingegen sagt der obige Bericht (S. 28): «La partie allemande comprend les arrondissements de Luxembourg, Diekirch et Bitbourg en entier et une petite partie de celui de Neuchâteau, savoir: les communes de Rachamp, Tarchamps, Harling, Surré, Boulaide, Tintange, Bondorf ou Bigonville, Warnach, Bodange, Fauxvillers, Wisembach, Martelange, Volvelange, Hachy.» Wir können sowohl die eine wie die andere Feststellung nicht als genau annehmen!

  Ein letztes wissenschaftliches Werk der vorwissenschaftlichen Periode, aber gründlicher und zuverlässiger als das von Coquebert de Monbret, weil es von einem Luxemburger verfasst wurde, war Dominik Constantin Münchens «Versuch einer statistisch-bürgerlichen Geschichte des Herzogtums Lützelburg» (1814—1815). Wie die Werke von A. Wiltheim, de Feller und Coquebert de Monbret, wurde es erst lange nach dem Tode des Verfassers gedruckt (Worré-Mertens, 1901, Herausgeber Pfarrer M. Blum u. a.). Es ist ein enzyklopädischer Sammelband, in welchem alle Angaben über das alte Herzogtum und das Wälderdepartement mit aller wünschenswerten Genauigkeit und Vollständigkeit enthalten sind. Geographie und Geschichte, administrative und kirchliche Verhältnisse, Sitten und Gebräuche sind darin behandelt. Ein für die Toponymie und die Volkskunde wichtiges Werk.

II. — Die Anfänge der eigentlichen Forschung (18151848).
Meyer-Gloden, Hardt, Gangler.

  Anton Meyer, Mathematikprofessor in Echternach, später in Belgien, ist bekannt als der erste Autor in Luxemburger Mundart («E Schrek op de Letzeburger Parnassus», Lamort, Luxemburg, 1829). Sein Büchlein enthält ein Vorwort sowie ein Nachrede (Noried) über luxemburgische Orthographie. Die vermehrte und verbesserte Neuausgabe des Werkes («Luxemburger Gedichte und Fabeln. Nebst Grammatik und Worterklärung von Gloden». Delavigne & Callewaert, Brüssel, 1854) enthält den ersten Versuch einer luxemburgischen Grammatik S. IX-XXXVIII).

  Das Werk von Mathias Hardt, Conrektor am Progymnasium in Echternach «Vocalismus der Sauermundart» (Programmarbeit des Progymnasiums, 1842 bis 1843) leitet die philologische Erforschung der Mundart durch eine gediegene Studie ein. Hardt, der später Archivist der Regierung wurde, gab von 1868 bis 1876 die Luxemburger Weistümer heraus («Luxemburger Weisthümer, als Nachlese zu Jakob Grimms Weisthümern», V. Bück, Luxemburg). Der Ergänzungsband auf diesem Gebiete steht leider noch aus. Hardts Werk ist für seine Zeit eine bedeutende Leistung. Von seinen kleineren Schriften befassen sich zwei mit der Schreibung luxemburgischer Ortsnamen und eine mit der Sprache der Urkunden.

  J. F. Gangler, Polizeikommissar und vereidigter Übersetzer beim Gerichtshof in Luxemburg, gab 1841 einen Band luxemburgischer Gedichte heraus («Koirblumen um Lamperbierg geplekt»), nebst einem kurzen Glossar und einer Einleitung «Etwas über die Aussprache». Sein Lebenswerk ist das «Lexicon der Luxemburger Umgangssprache, wie sie in und um Luxemburg gesprochen wird, mit hochdeutscher und französischer Übersetzung und Erklärung», V. Hoffman, Luxemburg, 1847. Der Autor war nicht Sprachkundiger, hatte sich aber durch seine Stellung vielfache Sprachkenntnisse erworben. Das Buch ist reichhaltig und als Materialsammlung der Forschung unentbehrlich.

III. — Die Periode von 18481907.
Peter Klein. Dicks und die Volkskunde. G. Th. I. de la Fontaine und die
Toponymie. Das staatliche luxemburgische Wörterbuch (1906).

  Auf den Gebieten der Sprachforschung, der Volkskunde und der Toponymie sind in dieser Periode Fortschritte zu verzeichnen. Wirkungen aus Deutschland sind nicht zu verkennen. Die siebenbürgische Frage wird aufgerollt.

  Der leider zu früh aus dem Leben geschiedene Dichter Peter Klein übergab 1854 der «Société pour la recherche et la conservation des Monuments Historiques» sein Manuskript «Die Sprache der Luxemburger». Es erschien in Bd. X der «Publications» dieser Gesellschaft, als erste Studie über die Sprache der Hauptstadt. Leider kommt in dieser gediegenen Arbeit der Vokalismus zu kurz.

  Die Mundartliteratur nahm mit Dicks, Lentz, Rodange, Duchscher einen großen Aufschwung, während die literarische Produktion dieser Zeit im Deutschen und Französischen kaum nennenswert ist.

  Der Dichter Dicks (Edmund de la Fontaine, 1823—1891), welcher 1846—1847 in Heidelberg studiert hatte, nahm in hervorragender Weise an der sprachlichen Sammelarbeit und der volkskundlichen Forschung der Zeit teil. Erwähnt seien «Die Luxemburger Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten», V. Bück, 1857—1858. — «Die Luxemburger Kinderreime». V. Bück, 1877. — «Luxemburger Sagen und Legenden». Jos. Beffort, 1882. — «Luxemburger Sitten und Bräuche». Jos. Beffort, 1883.

  Ein Büchlein von 15 Seiten befaßte sich mit der Luxemburger Orthographie (V. Bück, 1855). Nach seinem Tode erschienen: «Die Luxemburger Volkslieder» (1904) und «Die deutsche Götterwelt im Luxemburger Lande». Er legte ein luxemburgisches Wörterbuch an, welches die Grundlage für das offizielle Wörterbuch von 1906 werden sollte.

  Die luxemburgische Toponymie der Periode wurde stark von der Keltomanie beeinflußt. Hauptvertreter dieser Richtung ist Gaspar Théodore Ignace de la Fontaine, der Vater des Dichters. Reichhaltiges und wertvolles Material bieten seine in den «Publications de la Section Archéologique» veröffentlichten Studien, die er «Essai Etymologique sur les noms de lieu du Luxembourg Germanique» betitelt (IX, X und XIII), mit Fortsetzungen in Band XV (Belgisch-Luxemburg) und Band XVIII (die früher luxemburgischen Teile Lothringens). Leider ist er in der schwierigen Frage der Etymologie nicht vorgebildet, und die Zeit war auch noch nicht dafür gekommen.

  Pfarrer Jos. Kalbersch veröffentlichte 1854 ein volkskundliches Werk in zwei Bänden «Gebrauch und Mißbrauch geistiger Getränke». Dr. Neyen bezeichnet es als «eine interessante Sammlung von Akten und Tatsachen, etwas weitschweifig und manchmal trivial».

*    *    *

  Die Periode von 1871 bis 1906 ist besonders durch eine intensive Sammeltätigkeit gekennzeichnet, die jetzt Sache der Allgemeinheit geworden ist. Der Staat interessiert sich mehr und mehr an diesen jetzt als national erkannten Forschungen. Neben den «Publications de la Section Historique», welche schon seit ihrer Gründung auch Artikeln über Sprache, Volkskunde und Toponymie Unterkunft gegeben haben, treten in den achtziger Jahren das «Vaterland», in den neunziger «Ons Hémecht» hinzu, um nur die bedeutendsten zu nennen. Die Linguistik tritt hingegen kaum hervor. Die zwei wirklichen Forscher, Follmann und Schweisthal, leben im Ausland. Gredts Sagenschatz wird ein Standardwerk der Volkskunde. Die überragendste Persönlichkeit dieser Periode in Geschichte, Kulturgeschichte, Volkskunde und Namenkunde ist Prof. N. van Werveke, der auf diesen Gebieten auch noch das erste Viertel des 20. Jahrhunderts beherrschen wird. Die Periode schließt ab mit dem offiziellen Wörterbuch der luxemburgischen Mundart (1906).

  N. Gredt, Direktor des Athenäums in Luxemburg, welcher 1871 ein Gymnasialprogramm «Die Luxemburger Mundart. Ihre Bedeutung, ihren Einfluß auf Volkscharakter und Volksbildung» veröffentlicht hatte, gab 1883 das für die Volkskunde wesentlichste Sammelwerk «Sagenschatz des Luxemburger Landes», V. Bück, Luxemburg (Neudruck in Vorbereitung), heraus.

  Bei V. Bück erschien ebenfalls Prof. N. Müllers interessante Arbeit «Familiennamen des Großherzogthums Luxemburg (1887)» die einzige wesentliche Studie, die wir auf diesem Gebiete besitzen. (Ergänzungen dazu sind kleinere Zusammenfassungen von van Werveke, Ries und Jos. Meyers.)

  Über Prof. van Werveke, s. die folgende Periode.

  Prof. F. M. Follmann, ein geborener Echternacher, Professor in Metz und später in Straßburg, veröffentlichte 1886 und 1889 als Programmarbeiten der Realschule in Metz «Die Mundart der Deutschlothringer und Luxemburger» (Archiv der neueren Sprachen) und bei Quelle & Meyer «Das Wörterbuch der lothringischen Mundarten» (1909), ein Werk, das trotz mancher etymologischen Mängel das unentbehrliche Hilfsmittel für diesen Teil der luxemburgischen Mundarten bleiben wird. Eine Studie von ihm «Die Sprache unserer Urkunden» erschien in «Ons Hémecht», 1895.

  Dr. phil. Martin Schweisthal, aus Bettborn gebürtig, Sektionschef im Bureau International des tarifs, Bibliothekar des Comte de Flandre und später des Königs von Belgien in Brüssel, muß weit herumgekommen sein, denn er hat nicht weniger als in sechs Ländern Werke veröffentlicht — sie betreffen neun verschiedene Gebiete — teils unter eigenem Namen, teils unter den Decknamen Quiroule, Pierre und Peregrinus5). Er war ein romanischer Sprachforscher, vorgebildet in der Ecole des Chartes und der Ecole des Hautes Etudes in Paris. Seine «Luxemburger Mundart», Separatdruck aus dem «Luxemburger Wort», 1895, 19 S., ist gut und treffend. In «Les Francs des bords de la Moselle et leurs descendants de Transylvanie» (V. Poncin, Arlon, 1904) stellte er sich resolut auf die Seite Prof. Kischs und der Urheimattheoretiker. (S. später «Die Siebenbürger».)

  «Das Luxemburger Land», Organ für vaterländische Geschichte, Kunst und Literatur, erschien von 1882 bis 1886. Prof. van Werveke steuerte nicht weniger als 69 Artikel dazu bei und war ihr Leiter von 1885—1886. Aber es war, als der Gründer J. N. Mœs und ein zweiter Volkskundler, Karl Mersch, an der Spitze standen, wo das «Luxemburger Land» zu einer Fundgrube der Luxemburger Volkskunde wurde wie keine andere Zeitschrift vorher und nachher6). Jean Nicolas Mœs hat darin als Sammler eine Riesenarbeit geleistet. Karl Mersch, der leider allzu jung verschiedene Kinderfreund und Herausgeber der «Kinderreime», stand ihm mit Rat und Tat zur Seite, und ganz Luxemburg half in außerordentlichem Maße. Auch G. Spedeners köstliche «Bauernhochzeit in früheren Zeiten» fand hier ihre Stätte (Jahrgang 1886).

  Ein überaus interessanter Beitrag zur Volkskunde der Mosel erschien 1885 bei Josef Esslen in Grevenmacher: «Alterthümliche Merkwürdigkeiten der Stadt Grevenmacher. Eine Sammlung von Sagen und Märchen, Sitten und Gebräuchen, Volksmeinungen, Liedern, Sprüchen, Spielen usw., gesammelt und herausgegeben und seinen Mitbürgern gewidmet von X. Mosellanus».

  Mit der von Pfarrer Martin Blum gegründeten Zeitschrift «Ons Hémecht» kam in den neunziger Jahren auch reges Leben in das Studium der Luxemburger Sprache. Reichhaltiges Material ist besonders von 1894—1907 darin zusammengetragen, aber es geht auf diesem speziellen Gebiet mehr in die Breite als in die Tiefe. Den Anregungen der Gruppe «Hémecht» ist es jedoch zu verdanken, daß eine Wörterbuchkommission ernannt wurde «behufs Sammlung und Aufzeichnung unseres nationalen Sprachschatzes», wie der Kammerbeschluß vom 19. Februar 1897 sich ausdrückte. Eine Kommission von 7, später 10 Mitgliedern arbeitete von 1897 bis 1907 am «Wörterbuch der luxemburgischen Mundart» (M. Huss, 1906). Der tätigste Mitarbeiter und die eigentliche Seele des Unternehmens war Zahnarzt Joseph Weber, der schon früher ein Spezialglossar «Letzeburgesch-latein-franze'sch-deitschen Dixionèr vun de Planzen» veröffentlicht hatte. Grundlage war, neben Gangler (der aber nicht verzettelt war), der Nachlaß von Dicks. Durch die Mitglieder der Kommission (Gœrgen, Duchscher, Keiffer u. a.) und durch die Aufzeichnungen von Dicks wurden in diesem Wörterbuch die Lokalmundarten reichlich zur Geltung gebracht. Leider sind dabei nirgends die Ortschaften angegeben, woher die Wörter stammen! In seiner Besprechung des Wörterbuchs (Zeitschrift für deutsche Mundarten, II, 1907) weist René Engelmann auf die Unzulänglichkeit des etymologischen Teils hin. Besonders bedauert er, daß das Angelsächsische sich darin so breit macht. Seine Ausführungen haben mit der angelsächsischen Theorie, die damals besonders durch H. Schliep vertreten war, endgültig Schluß gemacht7).

IV. — Seit 1906.
N. van Werveke. R. Engelmann. A. Bertrang. Die luxemburgische Sprachgesell
schaft. Die sprachliche Sektion des Instituts. Die Wörterbuchkommission.

  Prof. N. van Werveke, der Meister luxemburgischer historischer und kulturhistorischer Forschung, hat uns als Hauptwerk seines Lebens die Kulturgeschichte des Luxemburger Landes geschenkt (Bde. I und II, 1924; Bd. III, 1926, G. Soupert, Luxemburg8). Neben seinen historischen Arbeiten interessierte er sich zeitlebens sehr stark an luxemburgischer Sprachforschung, an Toponymie und Familiennamen und allen Fragen der Volkskunde. Auf dem luxemburgischen Lehrerkongreß vom 5.—6. Juni 1925 hielt er zwei Vorträge: Archivforschung und Sprachforschung; Luxemburger Toponymie und Sprachforschung, die in den Jahrbüchern der Sprachgesellschaft veröffentlicht wurden. Sein Nachlaß wurde von der Regierung angekauft und befindet sich teils im Regierungsarchiv (rund 180 000 Blätter) in 226 Cartons und Heften, teils in der Nationalbibliothek. Besonders die letzteren sind für unsere Zwecke wertvoll. Sie enthalten: die Zusammenstellung altluxemburgischer Ausdrücke aus unsern archivalischen Quellen (etwa 5300 Zettel), die Nachträge zu Hardts Weistümern und die umfangreichen toponymischen Zettelsammlungen. Der ganze Nachlaß, der 2000 bis 3000 Druckseiten füllen würde, ist ein Schatz, der noch wenig verwertet ist.

  Prof. R. Engelmann, welcher unter Anleitung von Prof. John Meier in Basel Germanistik studiert hatte, gab dem wissenschaftlichen Studium des Luxemburgischen eine definitive Basis in seinem «Vokalismus der Viandener Mundart» (J. Schrœll, Diekirch, 1910). In dem Artikel «Ein mittelfränkisches Akzentgesetz» (Paul und Braunes Beiträge, XXXVI, 21. 3, 82 ff.) behandelt er die Korreption, die auch in Luxemburger Mundarten, besonders der Echternacher und der Viandener stark vertreten ist.

  Im Jahre 1913 schrieb die Académie Royale de Belgique in Brüssel einen Wettbewerb aus: L'étude phonétique et morphologique d'un patois allemand de Belgique. Prof. Anton Bertrang bewarb sich mit seiner «Grammatik der Areler Mundart» (gedruckt bei Marcel Hayez, Bruxelles, 1921) und gewann den Preis, der ihm aber erst nach dem Kriege überreicht werden konnte. Sein Werk ist nicht bloß ein Monument für die Mundart seiner Vaterstadt, sondern für das Allgemeinluxemburgische. Hier haben wir zum ersten Mal eine Gesamtphonetik und eine wissenschaftliche historische Grammatik und das Verzeichnis der darin behandelten Wörter ist, nach dem Zeugnis des Autors, ein Glossar der Mundart.

  Die Zusammenfassung aller Kräfte, die sich im Luxemburger Lande an Sprachforschung, Volkskunde und Toponymie interessierten, wurde durch die am 21. Dezember 1924 auf Anregung von Prof. P. Platz ins Leben gerufene Luxemburger Sprachgesellschaft verwirklicht. Die Gesellschaft wurde 1935 unter dem Titel «Section de Linguistique, de Folklore et de Toponymie» zur vierten Sektion des Großherzoglichen Instituts erhoben9). Die Luxemburgische Sprachgesellschaft und die sprachliche Sektion des Instituts organisierten eine große Reihe öffentlicher Vorträge, von denen besonders der Lehrerkongreß vom 5.—6. Juni 1925 erwähnt sei. Im Jahre 1935 wurde im Rahmen der sprachlichen Sektion die Luxemburgische Wörterbuchkommission ernannt, die von 1935 bis 1939 die Vorarbeiten erledigte und nach langer Unterbrechung am 30. Juni 1948 neu ernannt wurde mit der Anweisung, die Veröffentlichung des Wörterbuchs der luxemburgischen Mundarten unverzüglich in die Wege zu leiten. Ein Kredit von 100 000 Fr. wurde zu diesem Zwecke ins Staatsbudget gesetzt und von der Kammer angenommen. Die Kommission vom 30. Juni 1948 bestand aus den HH. J. Tockert, Vorsitzender; R. Bruch, Schriftführer; Hess, Ludovicy, Meyers, Frl. Palgen, Mitglieder. Herr Prof. Kœnig, der auf seine Ernennung verzichtete, wurde durch Herrn Prof. I. Comes ersetzt. Im Jahre 1949 wurde für die Beiträge zum Dialekt des Öslings Herr Ackerbauingenieur J. P. Zanen in die Kommission aufgenommen. Die Archive und die Bibliothek der Kommission befinden sich in den früheren Arbeitszimmern der Unterrichtskommission, Beaumontstraße. Wöchentlich findet eine Arbeitssitzung statt, außer in den Zeiten, wo die mittleren Lehranstalten Ferien haben. Die Zahl der Lieferungen des Wörterbuchs läßt sich jetzt noch nicht berechnen. Unter den Forschern, die seit 1907 auf den drei in Frage kommenden Gebieten hervorgetreten sind, seien die folgenden erwähnt:

  Prof. J. Tockert hat, neben kleineren Studien, drei lexikographische Arbeiten veröffentlicht: «Romanische Elemente im Luxemburgischen», Programmarbeit des Gymnasiums in Luxemburg, 1909 (Separatdruck Jos. Beffort, 1910), «Das Weimerskircher Jenisch», Vierteljahrsblätter 1938, Neudruck in den Cahiers Luxembourgeois (1949) und «Zur luxemburgischen Studenten-, Pennäler- und Schulsprache» (Lux. Sprachgesellschaft, Jahrbuch 1933, SS. 19—83). Außerdem hat er Michel Rodanges Werke in Luxemburger Mundart in zeitgemäß geänderter Schreibweise herausgegeben und mit etymologischem Glossar versehen (P. Linden, 1927). Er hat auch eine zusammenfassende Studie «Über luxemburgische Lexikographie. Ein Wort zum Geleit» verfaßt, welche den Jahrbüchern der Luxemburgischen Sprachgesellschaft als Einleitung und Programm gedient hat (Jahrbuch 1925, SS. 30—60).

  Prof. N. Ries bringt in seinem Hauptwerk «Le peuple luxembourgeois. Essai de psychologie» (J. Schrœll, Paul Schrœll, succ. 1911) ein wertvolles Kapitel «Le dualisme linguistique et psychique du peuple luxembourgeois». — «Luxemburger Sprichwörter» ist eine kulturgeschichtliche und psychologische Untersuchung (P. Schrœll, 1909) und sucht ein Thema zu vertiefen, das Gegenstand vielfacher Sammelarbeit gewesen ist. Dicks, J. N. Mœs, Gilson, Pletschette, Warker, Ruden u. a. haben uns neben Ries eine reiche Ernte davon eingebracht. Auch Batty Webers Abreißkalender, Fundgrube des täglichen Folklore in Sprache, Brauch und Volkstypen und seine launige Skizze «De' gudd al Zeit», bieten uns viel Interessantes. Ries war daneben zwanzig Jahre lang Herausgeber der «Cahiers Luxembourgeois», welche auf vielen Gebieten der Volkskunde, besonders der ländlichen, wertvolle Beiträge enthalten.

  Prof. M. Tresch hat neben vielen kleineren sprachlichen und volkskundlichen Studien das mit dem Literaturpreis ausgezeichnete Werk «La chanson populaire luxembourgeoise» (V. Bück, 1929) herausgegeben, das aber in vielfacher Hinsicht zu weitschweifig und weitschichtig ist.

  Hingegen fand das Volkslied sein Standardwerk in Mathias Thills gründlicher Arbeit «Singendes Volk. Volkslieder aus Luxemburg» (Kremer-Müller, 1937, Esch a. d. Alzette). Es enthält die Gesamtheit der deutschen und deutschluxemburgischen Volkslieder mit Weisen und Varianten.

  Prof. I. Comes, ein fruchtbarer Dialektschriftsteller, hat seit 1931 in den Vierteljahrsblättern eine «Idiomatik der Echternacher Sprache» herausgegeben, die sich jetzt ihrem Ende nähert. Es ist ein unerschöpfliche Fundgrube für die Sauermundarten und beruht zum größten Teil, neben Duchschers Werken, auf persönlicher Forschung.

  Prof. N. Warker, ein geborener Echternacher, zeitlebens Professor am Athénée von Arlon, Literat und Volkskundler, hat uns in seinem «Wintergrün. Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg» (2. bedeutend vermehrte Auflage, G. Willems, Esch a. d. Alz., und H. Willems, Arlon, 1890) und in dessen Fortsetzung «Was unser Volk hüben und drüben erzählt» (St. Paulus-Druckerei, Luxemburg, 1933) die reiche Ergänzung von Gredts Sagenschatz für die Arloner Gegend gegeben. Auch eine Reihe guter Studien verdanken wir diesem unermüdlichen geistigen Arbeiter (Die deutschen Orts- und Gewässernamen in der belgischen Provinz Luxemburg, J. Perthes, Gotha, 1909. — Karte des belgischen Luxemburg, in Petermanns Geographische Mitteilungen, 1916, Tafel 20. — Sprechwirder a Virniem. Ons Hémecht, 1936. — Wörter und Redensarten aus Arlon und Umgegend. Wörter und Redensarten aus Echternach und Umgegend, beide in den Vierteljahrsblättern, 1937, 3).

  Prof. Jos. Hess verdanken wir das zusammenfassende Standardwerk «Luxemburger Volkskunde» (Paul Faber, Grevenmacher, 1929) und dessen Fortsetzung «Luxemburger Volksleben in Vergangenheit und Gegenwart. Beiträge zur Luxemburger Volkskunde» (ebendort, 1939), sowie eine stattliche Anzahl von Einzelarbeiten. Er hat auch eine gute Zusammenfassung «Die Sprache der Luxemburger» herausgegeben (Paul Bruck, 1946), in dem besonders der zweite Teil «Der Wortschatz des Luxemburgischen» (S. 42—93) reichliches und wertvolles Material enthält.

  Prof. E. Platz, ein luxemburgischer Romanist, der in Frankreich lebt, hat über luxemburgische Sprache, Volkskunde und Toponymie eine große Anzahl Miszellen veröffentlicht, die großes Wissen und unendlichen Fleiß verraten, ohne daß der Autor auf einem Gebiet besonders hervortritt. Eine größere Arbeit ist seine Geschichte der Luxemburger Sprache (Vorträge auf dem Lehrerkongreß vom 5.—6. Juni 1925), die in der Hémecht veröffentlicht wurde.

  Jules Vannérus, ein geborener Diekircher, der in Belgien lebt, Archivist, Historiker, Münzenkenner, Toponymiker und seit Jahren Vorsitzender der Commission Royale de Dialectologie et de Toponymie in Brüssel, hat über luxemburgische Toponymie veröffentlicht: A propos des noms de lieu luxembourgeois en -ing ou en -ingen (Bulletin de la Commission Royale de Toponymie et de Dialectologie, Bruxelles, 1928). — Le nom de lieu luxembourgeois Kohn. — Le nom de lieu luxembourgeois Thoul ou Thol et ses congénères. — Du nom de lieu luxembourgeois Pintsch au Pincio de Rome. — Waldbillig, Wasserbillig et les noms de lieu congénères (Diese fünf letzten in unsern Jahrbüchern zwischen 1927 und 1947 veröffentlicht). Über den Helpert verdanken wir ihm eine Arbeit in den Cahiers Luxembourgeois. In Ons Hémecht, Bd. 31, erschien «Notes d'histoire et de toponymie luxembourgeoise. Kahler.» Alle Arbeiten von Vannérus sind wissenschaftlich wertvoll.

  Prof. Joseph Meyers hat uns in «Studien zur Siedlungsgeschichte Luxemburgs» (Beiträge zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. V. Verlag von Walter de Gruyter & Co. Berlin und Leipzig, o. D.) das wesentliche Buch zur Erforschung der Ortsnamen Luxemburgs geschenkt. Wir verdanken überdies seiner Feder eine große Anzahl sprachlicher und toponymischer Aufsätze sowie eine populäre Darstellung der luxemburgischen Sprache: D'Geschicht vun eiser Sproch, Hémecht, 1945. Seine zahlreichen Artikel in deutschen und ausländischen Zeitschriften enthalten außer Geschichte, Luxemburger Sprachkunde und Volkskunde sowie luxemburgischen Familiennamen, eine imposante Reihe von Beiträgen zur luxemburgischen Toponymie: Mecher, Hostert, Weiler und -pelt Namen in Luxemburg (Ons Hémecht, 1932). — Flurnamen von Lamadelaine, 1934. — Luxemburger Wüstungen und Wüstungsnamen (Marienkalender, 1932). — Les noms de lieu luxembourgeois en -dorf. Annuaire 1947 de la Section Linguistique de l'Institut, u. a.

  Prof. Robert Bruch, unser jüngster Philologe, hat eine monumentale «Phonétique historique et comparée des parlers luxembourgeois» (mit 205 Karten) ausgearbeitet, die leider aber wegen ihrer Ausdehnung Manuskript geblieben ist.

  Prof. Frl. H. Palgen hat in vier gediegenen Studien das Werk von Engelmann fortgesetzt: Kurze Lautlehre der Mundart von Echternach, Linden & Hansen, 1931. — Untersuchungen zur Grammatik der Echternacher Mundart. Jahrbuch 1931—1932 der Luxemburger Sprachgesellschaft. — Vokalismus der Mundart von Knaphoscheid (Kanton Wiltz), Jahrbuch 1933 der L. S. G. — Studien zur Lautgeographie Luxemburgs. Beiträge zur luxemburgischen Sprachund Volkskunde Nr. VI. Linden, 1948. Mit 19 Karten (an 354 Orten aufgenommen).

  N. Pletschette gibt in «Biller aus der Letzeburger Sprôch. Riedensarten a Wirder» (Linden & Hansen, 1933) eine reichhaltige Sammlung von Redensarten und Sprüchen von der Mittelsauer. Interessant sind auch seine «Letzeburger Schnoken» (1932) und seine «Fremde Klänge im Luxemburger Dialekt» (Ons Hémecht, 1931 und 1933).

  Pfarrer Protts Sagen der Untersauer, die als Feuilleton im Echternacher Anzeiger erschienen sind, können kaum mehr aufgetrieben werden.

  Erwähnt sei in diesem Zusammenhang ein köstlicher Beitrag zur Volkskunde von J. M. Ruden, D'Fraen um Kanddaf an der aler Zeit, Linden, 1934.

  P. Anen macht in «Luxemburgs Flurnamen und Flurgeschichte» (St. Paulus-Druckerei, 1945) einen ersten Versuch, die Gesamtheit unserer Flurnamen nach geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Zusammenhängen zu erklären.

  Viele gute Beiträge zur Ortsnamenkunde der luxemburgisch redenden Dörfer in Belgisch-Luxemburg bieten uns auch die historischen und soziologischen Werke von Pfarrer J. B. Weyrich, der lange Zeit in Diedenberg (Thiaumont) tätig war und aus den Archiven dieses alten Orts viel Wertvolles geschöpft hat. Auch über verschiedene Orte unserer Westgrenze (Kahler, Küntzig, Kerschen) hat er ähnliche Forschungen gemacht. Pfarrer V. Balter von Bodingen (Belgisch Luxemburg) hat einige Beiträge über seine Mundart in unsern Vierteljahrsblättern veröffentlicht und uns ein wertvolles Manuskript «Glossar von Bodingen» hinterlassen.

  Die Mundartliteratur wurde besonders in ihren Hauptvertretern herangezogen, von den Neueren sind nur die markantesten Werke benutzt worden. Seit der «Kerfegsblo'um» von Ad. Berens und ihrer starken Verwertung der (Grevenmacher) Mundart zu literarischen und volkskundlichen Zwecken wurde dieses Beispiel verschiedentlich nachgeahmt, besonders gut von F. Gremling «Doheem» (westliche Mundart). Pfarrer B. Simminger hat, besonders nach Schweizer Vorbildern, in dem hochdeutschen Roman «Josef Greimel» (Oeslinger Erzählung aus dem ersten Weltkrieg) viele mundartlichen Ausdrücke literarisch zu verwerten gesucht. Im allgemeinen ist die Mundartliteratur für unsere Zwecke immer einer Kontrolle zu unterwerfen. — Vergessen wir, an den Grenzen der Literatur, die komisch-satirischen Zeitschriften und Bühnenwerke (Revuen u. a.) nicht, welche uns seit den vierziger Jahren erfreuen und immer drauf aus sind, das saftigste und drastischste Sprachgut zu verwerten!


  Die Zahl der ausländischen Gelehrten, welche in dieser lebenswichtigen Periode unserer Sprache und unseres Volkstums an unserer Forschung teilgenommen haben, ist in demselben Maße gestiegen. Während bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nur Prof. John Meier (Basel) durch seine erstklassige Herausgabe der Yolanda von Bruder Hermann (Untersuchungen über den Dichter und die Sprache der Yolanda. Inauguraldissertation. Freiburg i. B., 1888) in diese Kategorie fällt, zählen wir im 20. Jahrhundert mehrere namhafte Gelehrte, die wir direkt als Mitarbeiter ansehen konnten, und deren Leistungen uns wertvoll waren. John Meier veranstaltete auch in den achtziger Jahren Rundfragen bei der luxemburgischen Lehrerschaft von 323 Orten über die Wenkersätze. Die Antworten befinden sich im Marburger Archiv.

  Pfarrer A. Jacoby, ein Elsässer, der von 1912 bis zu seinem Tode in Luxemburg amtierte, hat uns, ohne zu kargen, von seinem reichen Wissen auf sprachlichem und volkskundlichem Gebiete zukommen lassen. Wir konnten ihn in diesen Jahrzehnten als einen der Unsrigen ansehen. Obwohl seine Berufstätigkeit ihn fast ganz in Anspruch nahm, hat er doch in verschiedenen unserer Zeitschriften eine ganze Reihe wertvoller Studien veröffentlicht. Zwei seiner Arbeiten («Spirkel» und die Einleitung zu einer Neuausgabe von Gredts «Sagenschatz») sollen in kurzer Zeit erscheinen.

  Der Arzt Jean-L. Hollenfeltz aus Arlon war vor allem volkskundlich orientiert. Die von ihm ins Werk gesetzte Ausstellung «Le visage du Luxembourg» (Arlon, 1934) war von einer Festbroschüre begleitet, die für das belgische wie für das großherzogliche Luxemburg gleicherweise interessant war. Von seinen zahlreichen Publikationen späterer Zeit interessiert uns besonders seine «Introduction au folklore luxembourgeois», ein Werk voll dichterischer Inspiration.

  Dem jungen belgischen Philologen C. Schmit aus Belgisch-Martelingen verdanken wir eine gründliche Untersuchung über die Ausdrücke des Ackerbaues an der Obersauer (Manuskript).

  Aber es waren vor allem die Siebenbürger, welche, auf G. Kischs Anregung, fast ein halbes Jahrhundert lang ihre Sprachforscher und Volkskundler nach Luxemburg schickten, um die «Urheimatfrage», welche, mangels historischer Urkunden, auf Sprache, Onomastik und Brauch fundieren sollte, definitiv zu lösen. Marienburg hatte als erster 1845 das heute mittelfränkisch genannte Sprachgebiet als das Auswanderunsgebiet der Siebenbürger Sachsen bezeichnet. Keintzel, ein Bistritzer, legte 1887 die Zugehörigkeit der Nösner (Bistritzer) Mundart zum fränkischen Sprachgebiet dar. Hierauf fußend, hatte Kisch eine Doktordissertation: «Die Bistritzer Mundart verglichen mit der moselfränkischen» in Halle veröffentlicht (1893), welcher dann sein Hauptwerk das «Vergleichende Wörterbuch der Nösner und moselfränkischen Mundart, nebst siebenbürgischen-niederrheinischen Orts- und Familiennamenverzeichnis zur Orientierung über die Urheimat der Siebenbürger Sachsen» folgte. Der Verein für siebenbürgische Landeskunde setzte daraufhin eine «luxemburgische Erkundungsfahrt» ins Werk, an der auch Adolf Schullerus, der Herausgeber des siebenbürgischen Wörterbuchs, Andreas Scheiner, der beste Sprachforscher Siebenbürgens und der deutsche Phonetiker Bremer teilnahmen. Kischs Lösung der Urheimatfrage — die Auswanderung aus Luxemburg — triumphierte. Die Südsiebenbürger verlegten ihre Urheimat in unser Ösling, die Nordsiebenbürger in unser Gutland (Vorwort des siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuchs). Prof. G. Kisch (Bistritz, Siebenbürgen) verdanken wir eine für uns wertvolle Studie: «Altromanische Lehnwörter im Siebenbürgisch-Moselfränkischen» (Sb. Korrespondenz-Blatt, Jan. 1904).

  R. Huss folgte mit einer «Vergleichenden Lautlehre des Siebenbürgisch-Moselfränkisch-Ripuarischen mit den moselfranzösischen und wallonischen Mundarten» (Krafft, Hermannstadt, 1908). Er bereiste, wie Kisch, öfter unser Land und gab 1926 «Luxemburg und Siebenbürgen. Die Einwanderung der Deutschen nach Siebenbürgen» heraus (Krafft, Hermannstadt). 1907 folgten seine «Studien zum luxemburgischen Sprachatlas» (Linden & Hansen, Luxemburg. Diese Studien wurden auf Grund von Fragebogen über die Wenkersätze verfaßt, welche Huss und die Luxemburgische Sprachgesellschaft in 323 Orten des Großherzogtums veranstalteteten. Kisch und Huss haben auch eine große Anzahl Zeitschriftenartikel über die luxemburgisch-siebenbürgische Frage veröffentlicht.

  Auch andere siebenbürgische Forscher: Frühm, Holzträger, Misch Orend, Karl Kurt Klein, bereisten unser Land zu demselben Zwecke. Doch hatte mittlerweile sowohl in Deutschland wie in Siebenbürgen eine intensive Erforschung des Ostmitteldeutschen in den Kolonisationsgebieten eingesetzt. W. Mitzka hatte 1922 mit «Sprachausgleich in der Mundart von Dantzig» den Weg gezeigt, und die Siebenbürgische Vierteljahresschrift (April-September 1934) konnte feststellen: «Der Lehrsatz von der moselfränkisch-luxemburgischen Urheimat ist nicht mehr so unangefochten wie vor einem Menschenalter . . . Die neue Richtung der Forschung zeigt nach Kursachsen.» B. Capesius äußert sich seinerseits in «Die deutsche Sprache in Siebenbürgen im Spiegel der Geschichte und als Spiegel der Geschichte». Die heute gesprochene Mundart ist eine aus den verschiedensten Einflüssen entstandene typische Kolonistenmundart, deren Ähnlichkeit mit dem Luxemburgischen auf dem gemeinsamen Reliktcharakter beruht und veranlaßt wird durch die gleiche — hier räumliche, dort politische — Abgeschlossenheit vom großen deutschen Sprachgebiet, keinesfalls aber durch die Herkunft der Siebenbürger aus einem von der heutigen Sprachvergleichung feststellbaren Gebiet» (Zeitschrift für Deutschkunde, 1933, 47. Jahrgang, Heft 4).

  Kisch, der vor dem Kriege starb und Huss, der im Kriege fiel, hatten ihre Ansicht ganz behalten. Scheiner behielt die seinige teilweise, aber den Standpunkt der sprachlichen Beweisbarkeit hatte er aufgegeben.

  Von Luxemburgern haben sich im Sinne der luxemburgisch-siebenbürgischen Zusammengehörigkeit geäußert: Der Literat N. Steffen10) der Historiker Schœtter11), die Linguisten Schweisthal, Follmann12) und Prof. Feltes13). Prof. Rudolf Palgen schilderte mehr als er beurteilte «Meine Fahrt zu den Siebenbürger Sachsen», (Jahrbuch 1926 der Luxemburgischen Sprachgesellschaft, S. 21—28).

  Die Jahrzehnte dauernde Diskussion über die siebenbürgische Frage hat uns sehr große Vorteile gebracht, ohne daß wir dafür kaum die Hand gerührt haben. Erwähnen wir zum Schluß noch ein Wort Erwin Witstocks («Von den siebenbürgischen Mundarten» in «Das Innere Reich», vom 27. August 1942, S. 238): «Der Siebenbürger wechselt, wie etwa der Luxemburger, die sprachliche Plattform. Er spricht die Hochsprache in einem andern sprachlichen Raum (geistiges Doppeldasein). Im Ganzen genommen erschwert die Mundart die innige Beziehung zur Hochsprache nicht, sondern erleichtert sie.» Diese Feststellung wäre ja vom Standpunkt unserer hochdeutschen Literatur zu erforschen!

  Das Problem unseres Bilinguismus wird an andere Stelle besprochen. Einige unserer Literaten haben zwischen den zwei Kriegen (als die Flut der Jahrhundertfeier unserer Unabhängigkeit hochging) öfters von Trilinguismus (Deutsch, Französisch, Dialekt) gesprochen. Von unseren Linguisten ist jedoch nur Prof. Feltes darauf eingegangen, und er hat sogar diese Auffassung auf dem internationalen phonetischen Kongreß von Gent, 1938, mit fünf phonetischen und grammatischen Kriterien zu beweisen gesucht.14)

B.
Sprachgeschichte.

  Wir wissen nicht, ob in der Stein- und Bronzezeit die Bevölkerung im Raum des heutigen Großherzogtums mittelmeerischen beziehungsweise mitteleuropäischen Ursprungs war, und näherhin etwa einer sogenannten «ligurischen» und «iberischen» Rasse angehörte. Was die vorgeschichtliche Forschung bisher in dieser Frage ermitteln konnte, weist auf mittel- und südwesteuropäische Kulturlandschaften hin. — Die Sprache liefert nach gewissen Richtungen hin wertvollere Aufschlüsse.

  Das Luxemburgische setzt sich aus Elementen zusammen, die den verschiedensten Idiomen angehören. Sie stammen zum Teil aus einer Zeit, die Tausende von Jahren vor der Völkerwanderung liegt. (Das Moselfränkische, aus dem sich unser «Platt» entwickelt hat, wird bei uns wohl erst seit der germanischen Landnahme gesprochen.) — In einer Anzahl Fluß- und Ortsnamen sind die ältesten Wörter enthalten. Wir verdanken einer Mittelmeerkultur, die vielleicht schon 2000—3000 v. Chr. über einen großen Teil Mittel- und Westeuropas ausgebreitet war, Bezeichnungen wie diese: Kar, Kor, Chiers, Gander, Alzicht, Uelzicht, Alzette, Ernz, Ernzen, Garsch, Gaasch.

  Übernimmt ein neues Kulturleben, das sich im letzten Jahrtausend v. Chr. in Westeuropa entfaltet, nur wenig aus der älteren Zeit, oder wird vielmehr unter einer neuen, keltischen Herrenschicht einfach das Alte fortentwickelt, verschmolzen mit dem, was neu hinzugekommen ist? Tatsächlich sprechen wir von einer neuen Zeit, in der ein neues Metall, das Eisen, sowie eine neue Sprache, das Keltische, in Westeuropa vorherrscht. Viele luxemburgische Ortsnamen gehen auf das Keltische zurück: Zolver—Soleuvre, Widdenberg (Widdebiereg), Tull, Wawer, Biwer; die mit -acum gebildeten Namen: Billig—Bëlleg, Itzig, Küntzig—Këntzeg, Mertzig.

  Die Römer herrschten während eines halben Jahrtausends über einen großen Teil des europäischen Kontinents. Auch unsere Gegenden waren in römische Provinzen eingegliedert. Indem das Keltische mit dem Römischen verschmolz, entstand die Kultur der keltoromanischen Welt. Wir stoßen überall auf Zeugen aus römischer Zeit: Reste römischer Wege, Tempel, Villen, Münzen und Keramik. Die lateinische Sprache verbreitete sich über den ganzen Süden und Westen Europas, sowie über Teile Nord- und Mitteleuropas. — Zahlreiche lateinische Wörter wurden durch die ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung hindurch bis tief ins Mittelalter ins Germanische und in die deutsche Sprache aufgenommen: nicht nur Namen, auch sonstiges Sprachgut, zum Beispiel viele Appellativa. Unter den Orts- und Flurbezeichnungen dieser Herkunft seien erwähnt: Kiem, Kehmen, Macher, Maacher, Mecher, Weiler, Mees, Mies, Tomm, Brühl, Brill, Colmar, Kaassel, Kaasselt, Kaaschtel; unter den Appellativen gemeindeutsche wie Wein, Essig, Winzer, Wënzer, Kastanie, Käscht, Birne, Bir, Kirsche, Kiischt, Käse, Kéis, Minze, Mënz, Münze, Mënz, Ziegel, Zill, Kalk, Mauer, Fenster, Fënster, Keller, Schindel, Schëndel, Kammer, Kuamer, Kuemer, Kiste, Këscht, Schrein, Kessel, Schüssel, Schossel, Ier, Iär (= Gang), Sack, Sak, Pesch, Kues (= Eiche), Esel, Iesel, Zins, Zëns, Straße, Strooss, eichen, eechen, stolz, sicher, sëcher, kahl, kuel, éieren, ieren (= pflügen) — der Sprache unserer Mosellandschaft eigentümliche (zum Teil lautunverschobene) Formen: Puart, Puert (Pforte), Patt (Pfote), Pond (Pfund), Peffer (Pfeffer), Pan (Pfanne), Piisch (Pfirsich), Plenter (plantaria), planzen (pflanzen), Kalker (calcatorium), Kueref (Korb), Koffer (Kupfer), afferen (opfern); sodann die bekannten <nn (= Zwiebel) und Mësch (= Sperling).

  Wir gebrauchen griechische Wörter, die aus der Zeit des frühmittelalterlichen Christentums stammen; beispielsweise Kirech (Kirche), Bëschof (Bischof), Engel, Deiwel—Däiwel (Teufel).

  Noch unter den Merowingern wurde das lateinische Suffix -arius als Wortbildungselement übernommen: Müller, Mëller (molinarius). — Die hohe Blüte der Klosterkultur in der karolingischen und ottonischen Renaissance (8.—11. Jahrh.) bereicherte die Volkssprache mit neuen lateinischen Lehnwörtern: Klouschter (Kloster), Mënster (Münster), Minnich (Mönch), Kräiz (Kreuz), priedigen (predigen), Segen, Mass, Mëss (Messe), Schoul (Schule), Tofel (Tafel), Tënt (Tinte), Bréif (Brief), Spiegel, Péng (Pein), Kett (Kette), Nonn (Nonne). Andere Beispiele sind: Rous (Rose), Péiterséilich (Petersilie), Seid, Sëd (Seide), Weiher, Kräid (Kreide).

  In den darauffolgenden Jahrhunderten des Mittelalters wie der Neuzeit drangen zahlreiche französische Wörter in unsere Sprache ein. Das ist leicht zu erklären: einmal aus der Nähe romanischen Sprachgebiets in Wallonien wie in Frankreich, sodann durch den kulturellen und politischen Einfluß, den Frankreich allgemein in den westlich des Rheins gelegenen Ländern ausübte. Die Hausmachtpolitik unserer Grafen ihrerseits und deren verwandschaftliche Verbindungen im Mittelalter wiesen immer wieder in romanische Kulturräume. Das jahrhundertelange Zusammensein des «Quartier wallon» und «Quartier allemand», also romanischer und nichtromanischer Landesteile, im alten Herzogtum, ließ immer wieder romanische Wörter in unsere nichtromanische Sprache einsickern. Das wurde noch weiter gefördert unter der burgundischen Herrschaft (im 15. Jahrhundert), mit der sich ein erneutes starkes Vordringen französischer Kultur verband; seither ist dem Französischen als Verwaltungssprache ein Vorrang eingeräumt. Vorübergehend stand Luxemburg sogar unmittelbar unter französischer Herrschaft (1684—1697, 1795—1814). Je nach dem Bildungsgang hat der einzelne Luxemburger in seinen Wortschatz eine mehr oder minder große Zahl französischer Elemente aufgenommen; in den Ortschaften an der Sprachgrenze enthält die Mundart mehr romanische Bestandteile als anderswo im Land. Entlehnungen aus der französischen Sprache werden noch tagtäglich bei uns vorgenommen; nach wie vor ist die Sprache starken und andauernden westlichen Einflüssen ausgesetzt.

  Unter die romanischen Fremdwörter gehören die Flurnamen einzelner Orte, die an der Sprachgrenze gegen Wallonien oder Frankreich liegen. Dort wurde die romanische Sprache durch das Luxemburgische verdrängt (zum Teil erst im verflossenen Jahrhundert); doch viele romanische Flurnamen sind erhalten geblieben. Die hauptsächlichen Orte sind die folgenden: Helzen (Helzingen), Tratten (Trotten), Grëmmelescht (Grümmelscheid), Donkholz, Soller, Walter (Watringen), Harel (Harlingen), Syr, Rodange, Rolling (Rollingen), Déifferdang (Differdingen). Französische Ortsnamen treten schon in Urkunden des 11. Jahrhunderts auf, um dann in ununterbrochener Folge neben den deutschen Toponymika, besonders die Sprachgrenze entlang, einherzugehen. Greifen wir aus den Dutzenden von Namen bloß einige heraus: Bellain—Beeslick (Besslingen), Sonlez—Soller, Boulaide—Bauschelt (Bauschleiden), Larochette—Fiels (Fels), Soleuvre—Zolwer, Mondercange—Monnerich. Den Ortsnamen auf -ingen entsprechen französische Formen mit der Endung -ange: Rodingen— Rodange. Sonstige französische Orts- und Flurbezeichnungen sind: Lamaragole, Clairchêne, Misère.

  Die bürgerliche Freiheit brachte immer wieder aus den westlichen Nachbargebieten romanische Zuzügler zu uns. Daher treten in unsern Personenund Familiennamen besonders seit dem ausgehenden Mittelalter, und zwar erst in den Städten, dann überall im Land, Hunderte von französischen Formen auf: Aubry, Gilbert, Noël, Colin, Bouvier, Dauphin, Lenoir, Witry, Picard, Lallemand, usw.

  Latinisierte Familiennamen sind besonders in den ersten neuzeitlichen Jahrhunderten, meist in Gebildetenkreisen, beliebt: Latomus, Mameranus, Vannerus, Mercatoris, Salentiny, Cornely.

  Wir haben sonstige fremdländische Familiennamen, infolge Einwanderung, bei uns eingebürgert: Aerts, Nathan, Mathekowitsch, Raudonaitis, Rossi, Tappero, Biava, Isola.

  Durch Entlehnung aus dem Französischen kamen im 11.—14. Jahrhundert Bezeichnungen wie diese zu uns: Lanz (Lanze), Panzer, Palas (palais), Kastel, Merci, Äddi (adieu), préiwen (prüfen), die Infinitiv-endung -éieren in regéieren (regieren), das Suffix lä in allerlä (allerlei), die Substantivendung -ei in Zauberei, Stëpplerei.

  Im 14.—17. Jahrhundert drangen Elemente aus den verschiedensten fremden Sprachgebieten ein; italienische Wörter in die Kaufmannssprache (Bank, netto, brutto, Kredit), in die Soldatensprache (Alarm, Kavallerie); spanische Wörter wie Infanterie, französische wie Offizéier, Generol, Garnisoun, Bagage; Pistoul stammt aus dem Tschechischen; magyarisch sind Kutsch, Husar; arabisch Lack, Kaffi (Kaffee), Alkohol; aus Amerika kamen herüber: Mais, Kakao; Gauner, schauten, sind aus dem Jüdisch-Deutschen entlehnt.

  Aus dem Lateinischen und Griechischen wurden übernommen: Wörter der Kirchensprache wie Requiem, Monstranz; wissenschaftliche Ausdrücke: Medikament, Firmament, dividéieren; Wörter aus dem Rechts- und Verwaltungsleben wie appelléieren, Amnestie; aus der Schulsprache: Aula, Examen, Student; Fachausdrüccke der Musik: Harmonie, Oktav, Takt, komponéieren, usw.

  Auch nach dem 17. Jahrhundert (bis heute) wurde der Wortschatz durch zahlreiche Fremdwörter vermehrt; diese mußten sich zum Teil, wie viele sonstige Entlehnungen, der logischen Erstbetonung (Anfangsbetonung) und dem Lautersatz unterwerfen. Italienische Musikausdrücke: Fortissimo, Solo; französische Wörter: Matant, Mononk, Koseng, Paräbbeli, Präbbeli, Prabbeli (parapluie); englische: Scheck, boxen, Football, Tennis, Frack, Pudding: niederländische: Flënt (Flinte), deftig; das norwegische Ski; das litauische Kasawaika, das wir in Kaseweck verwandelten: tschechische Wörter: Tornister, Polka; russische: Bolschewick; arabische: Kotténg (französisch coton), Sofa; das persischtürkische Bazar; judendeutsche: kapores, Schlamassel; aus Amerika stammen: Tubak, Tomat, Schokela (französisch chocolat), Zigar; australischer Herkunft sind tätowéieren, Rum; chinesisch Téi (Tee); japanisch Bonz.

  Viele Fremdwörter sind in den Sondersprachen enthalten, die die Buchdrucker, Bergleute, Industriearbeiter, Eisenbahner, Schiffer, Winzer, Jäger, Gauner u. ä. geschaffen haben. Andere gehörten ursprünglich der Studentensprache an: Monéiten, Prosit, Luftikus, burschikos. Von Naturwissenschaften und Technik her werden gebraucht: Chimie, Gas; vom Verkehrswesen: Gare, Lokomotive, Waggon; von der Nachrichtenübermittlung: Timbre, Post, Facteur, Radio, u. a. — Also vorrömisches und römisches, romanisches und sonstiges Fremdgut ist in großer Zahl in unserm «Platt» enthalten. Sehen wir uns nun dieses «Platt» etwas näher an.

  In der Zeit der Völkerwanderung wurden das Keltische und Lateinische zusammen mit der römischen Herrschaft aus weiten Teilen Mittel- und Westeuropas verdrängt. Barbarische Germanenstämme führten ihre Sprache ein. In unserm Land waren es die Franken, deren sogenanntes Westmoselfränkisch sich an den westlichsten Rändern des deutschen Sprachgebiets, dicht an der romanischen (französischen) Sprachgrenze, nach und nach zum heutigen Luxemburgischen entwickelt hat. Mit der neuen Sprache brachten die Franken auch eine neue Namenwelt, Personennamen, Ortsnamen, Flurnamen. Von den seit dem 5. Jahrhundert gebräuchlichen Namen und den später bei uns auftretenden Familiennamen gehören die meisten der Sprache der fränkischen Eroberer an.

  Im 5.—8. Jahrhundert wurden die neuen Ansiedlungen mit dem Suffix -ingen oder -heim bezeichnet (Reckingen, Leudelingen, Dalheim, Sassenheim), jüngere Orte des ersten mittelalterlichen Ausbaus mit -weiler (Dickweiler, Osweiler); andere Siedlungsnamen dieser Zeit lauten auf -dorf oder -lar (Bettendorf, Consdorf, Holler, Tadler); ferner auf -feld (Binsfeld), -bach (Kautenbach), -born (Rodenborn). Mehr und mehr wurde (im 8.—11. Jahrh.) ahd. aha für «fliessendes Wasser» (Eisenach) durch bach ersetzt (Eisenbach). Im 8.—12. Jahrhundert treten neue Namentypen auf: Roodt, Elcheroth, Lützelburg, Brandenburg, Fels, Holz, Merkholz, Bourscheid, Welscheid; etwas später erschienen die Ortsbezeichnungen auf -hausen (Munshausen, Wahlhausen).

  Germanische Personennamen aus der Gegend von Mersch sind im 9. Jahrhundert Folcram, Bernwin, Winilint, Ludila, Hagano; daneben finden wir die fremden christlichen Taufnamen Romanus, Martinus, Daniel. Das Christentum verdrängte immer mehr die altgermanischen, heidnischen Namen durch solche, die es der Bibel oder den Heiligenlegenden entnommen hatte, wie Johannes, Thomas, Michael, Nikolaus, Maria, Margareta, Katharina, Elisabeth. Im 12.—13. Jahrhundert entstanden neben den Personen-, Vor- oder Taufnamen die Familiennamen. Diese gingen oft auf die ersteren zurück (Adam, Thomas, Martin), waren Vaternamen (Diederich, Jakobs, Johanns), oder sie bezeichneten die Wohnstätten (Busch, Pütz, Weyer), die Herkunft (Aspelt, Diedenhofen), den Beruf (Müller, Becker, Kremer); mitunter waren sie bloße Übernamen, Zunamen (Friob, Krebs, König). Viele erscheinen in Genitivform: Brüchers Adam, Thielen Johan.

  Nach der Völkerwanderungszeit wurde an unserer Westmosel, die von Franken besiedelt war, zwischen Metz und Kochem, und bis an die Ausläufer der Ardennen-Waldgebiete ihrerseits, anderseits bis an die Hunsrück-Höhenzüge, allmählich eine einzige fränkische Mundart herausgebildet; denn dieses Westmoselland war ein einziger großer offener Verkehrsraum, so wie jenseits der Ardennen Brabant—Flandern—Holland, im deutlichen Gegensatz zu allen benachbarten verkehrsarmen Waldgebirgslandschaften.

  Im weiteren Verlauf entwickelte sich die eine westmoselfränkische Mundart je nach den politischen Territorien, die im Moselgebiet zwischen Metz und Kochem entstanden, in verschiedener Weise. Die Machtpolitik unserer Grafen setzte Luxemburg von Trier, also von der östlichen Hälfte der Westmosellandschaft ab; in der Folgezeit wurde unser Herzogtum immer schärfer vom gesamten Ostraum getrennt, mit dem es sprachlich zusammenhing. Das hatte zur Folge, daß sich allmählich eine luxemburgische Eigenart ausprägte. In dem Maße, wie wir von Trier losgelöst wurden, verketteten wir uns mit dem romanischen Westen. Dadurch geriet unser Sonderleben unter fremde Einflüsse, die es sprachlich noch weiter vom Moselfränkischen differenzierten.

  Eine besondere Eigentümlichkeit Luxemburgs besteht darin, daß hier Groß und Klein im täglichen Umgang ausschließlich Mundart, das heißt unser «Platt» spricht. Das sichert diesem ein stärkeres Eigenleben. Nebenher werden zwei Verwaltungs-, Schul-, Schrift-, Kultursprachen gebraucht, Deutsch und Französisch. Das Hochdeutsche herrscht in der Kirche. Diese Zweisprachigkeit, die ins Mittelalter hinaufreicht, hat unserer Volkssprache ihren Stempel unverkennbar aufgedrückt. Sowohl das Schriftdeutsche als auch das Französische stellten uns Lehnwörter zur Verfügung, oder sie beeinflußten die Formenlehre, die Wortbildung und den Satzbau unserer Umgangssprache. Eine große Schrift- und Kultursprache verfügt über einen reicheren Wortschatz als eine einfache Mundart; deshalb müssen wir, falls das Luxemburgische im Sinn einer Schrift- oder Kultursprache gebraucht werden soll, deutsche oder französische Wörter entlehnen. Das ist ein sehr natürlicher Vorgang in allen Sprachen, die mit dem Fortschritt des Kulturlebens nicht nur in die Höhe und Tiefe, sondern auch in die Breite wachsen und für neue Begriffe und Ideen neue Ausdrücke benötigen. Je nach der politischen Lage, wenn diesem oder jenem der Vorzug gegeben war, übte bald das Hochdeutsche, bald das Französische eine stärkere Wirkung aus. Im allgemeinen jedoch waren dem Einfluß der deutschen Schriftund Kultursprache auf die Mundart bei uns engere Grenzen gezogen als im Regierungsbezirk Trier, dessen Bevölkerung gleichfalls westmoselfränkisch spricht; und umgekehrt wird das Luxemburgische in der Gegend um Diedenhofen und Arlon stärker als bei uns vom Französischen beherrscht. Anderseits gebrauchen wir mehr französische Lehnwörter als die Bitburger oder Trierer, und mehr hochdeutsche als unsere belgischen Nachbarn in Messancy und Arlon.

  Im 12. Jahrhundert zogen von der Mosel und Sauer Auswanderer nach Siebenbürgen; dort wird stellenweise heute noch eine Sprache gesprochen, die der unsern gleicht. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wanderten Tausende von Luxemburgern nach Amerika aus; bei einem Teil dieser Luxemburger Amerikaner blieb die alte Muttersprache im Gebrauch.

  Unser Luxemburger «Platt» erstreckt sich weiter als das Gebiet des heutigen Großherzogtums; es greift hinüber in die Gegend von Bitburg und St. Vith, nach Arlon und nach Diedenhofen. Innerhalb dieses mehr oder minder geschlossenen Sprachraums bildeten sich in den einzelnen Teillandschaften Untermundarten aus, wie die Clerfer, Wiltzer, Viandener (auf den Territorien alter Grafschaften), die Diekircher, Echternacher (das Abteistädtchen war ein Kulturmittelpunkt), die Moseler (am wichtigen alten Strom), die Stadtluxemburger, Escher (im Minettebassin), die Mundart des Merschertals, usw. Je weiter die Orte vom Zentrum Luxemburg entfernt liegen, umso ältere Formen weist die Sprache auf, umso deutlicher tritt deren «Relikt»charakter hervor; ausgesprochenstes Reliktgebiet ist das Land im Westen und Süden, jenseits der politischen Grenzen Luxemburgs, also um Arlon und Diedenhofen.

  Trifft der Öslingbauer mit dem Arbeiter aus Esch, oder der Remicher mit dem Stadtluxemburger zusammen, so gebrauchen sie eine Koinè, eine Gemeinsprache, eine Art Reservesprache, die jedermann versteht: diese, die auch der Bürger oder allgemeiner der Mittelstand spricht, ähnelt sehr der Alltagssprache im Alzettetal, zwischen Eich und Ettelbrück. An den Landesgrenzen, wo die sehr bodenständigen Lokalmundarten ältere Wörter und Formen erhalten haben, ist sie weniger verbreitet.

  Das Luxemburgische gehört zur kontinentalen Gruppe der germanischen Sprachen, innerhalb deren es auf die Stufe der mitteldeutschen Mundarten zu stellen ist. Es hat während des Mittelalters und in der Neuzeit im allgemeinen auch dieselbe Entwicklung wie das Mitteldeutsche durchgemacht. Doch in einzelnen Lauterscheinungen und Formen ging es nicht den Weg des Hochdeutschen (Oberdeutschen) mit, das die deutschen Mundarten weiter entwickelte; es blieb im Gegenteil zurück, ebenso wie das Plattdeutsche (Niedersächsische), Friesische, Niederländische, Vlämische (Niederfränkische), sowie das Angelsächsische (Englische). Denn es hielt wie diese eine ausgesprochene Grenzlandstellung besetzt, und zwar an den westlichen Rändern des deutschen Sprachraums. Ein solcher Grenzraum trägt kulturell stets Reliktscharakter, indem Neuerungen, die von zentralen Strahlungsherden ausgehen, ihn später oder auch gar nicht erreichen, und also Altes länger und überhaupt erhalten bleibt. Luxemburg ist typisches Erhaltungsgebiet. Wir haben mit dem Niederdeutschen, Holländischen, Englischen manche Lauterscheinungen gemeinsam, zum Unterschied vom Hochdeutschen (Schriftdeutschen).

  Wir haben, ähnlich dem Anglo-Friesischen, hé (engl. he) für «er» behalten (hé kënnt, «er kommt»), ferner hen («er») sowie hem, him («ihm» — engl. him!); ebenso als bestimmten Artikel (ähnlich dem englischen the) de (de Mann, «der Mann»). Wie das Anglo-Friesische erhielten wir die Form gos für «Gans», us, eis für «uns» (gegenüber ons). (Ingwäonische Reste im Luxemburgischen.)

  Die althochdeutsche Lautverschiebung (zwischen 800 und 1200) entwickelte in bestimmten Fällen p, t, k zu pf, (t)z, kch, oder zu f (ff), s, hh, sodann b, d, g zu p, t, k. — Wir haben diese Lautverschiebung nur teilweise mitgemacht. So sagen wir Pond (engl. pound) für «Pfund», Damp (engl., nl. damp) für «Dampf», Apel (engl. apple) für «Apfel», Kapp (nl. kop) für «Kopf». In op (engl. up, nl. op) für «auf» blieb p unverschoben.

  Folgende Wörter haben unverschobenes t: dat (engl. that, nl. dat) für «das», wat (engl. what, nl. wat) für «was», hat für «es», dët für «dieses», alt für «eben, halt» (alt it . . . gezam 13. Jahrh., «als es . . . geziemte»), schéint für «schönes», tëschen für «zwischen», satte (13. Jahrh. für «setzte»; heute noch gilt die Form gesat (die schon im Trierer Capitulare, 9.—10. Jahrh., auftritt) für «gesetzt».

  Wgm. b entwickelte sich, noch vor dem 14. Jahrhundert, im Inlaut nach Vokal, nach l und r zu w, im Auslaut zu f: have (Trierer Capitulare) (vgl. engl. have) für «habe», dreiwen (driven 13. Jahrh.) (engl. drive, nl. drijven) für «treiben», ierwen (nl. erven) für «erben», kaalwen (engl. calve, nl. kalven) für «kalben», demselwen (themo selvemo, Trierer Capitulare) für «demselben», wîf (13. Jahrh.) für «Weib», Gréif (engl. greve, greave) für «Griebe».

  Im Auslaut wurde wgm. mb dementsprechend zu mp: Kamp, «Kamm», Schwamp «Schwamm» — doch dann sehr früh zu mm assimiliert: kromm, schlamm, «krumm».

  Wgm. d wurde (im 10.—11. Jahrh.) zu d im Anlaut vor Vokal und vor Konsonant: Danz (danz 13. Jahrh.) (engl. dance, nl. dans) für «Tanz», Drauf (nl. druif) für «Traube»; im intervokalischen Inlaut sowie im Inlaut nach r: vader (Trierer Capitulare) für «Vater», Rudden (ruoden 13. Jahrh.) für «Ruten», roden ech (râden ich 13. Jahrh.) für «rate ich», Guarden (engl. garden) für «Gärten». Im ursprünglichen Inlaut wurde wgm. d nach l und n meist assimiliert: falen, «falten», bal, «bald», anescht, «anders». Doch treten bis ins 16. Jahrhundert Formen wie diese auf: behaldan (Trierer Capitulare) für «behalten», hylde (13. Jahrh.) für «hielte», kunde (13. Jahrh.) für «konnte», dy alden für «die Alten», hinder ander herren (16. Jahrh.).

  Im 8.—11. Jahrhundert wurden wgm. ai und wgm. au monophthongiert: bän, «Bein», Mä, «Mai» (vielleicht trat dieser Wandel schon im 7. Jahrhundert auf), Dram, «Traum», Kaf, «Kauf». Wgm. ê und ô wurden hingegen diphthongiert: Bréif, «Brief», kréich, «Krieg», (neben Krich), Fouss, «Fuß», Bloum, «Blume» (neben Blumm).

  Der i-Umlaut wurde durchgeführt: droen, dréit («tragen, trägt»), Schlof schléifrig («Schlaf, schläfrig»), Boussicht, béis («Bosheit, böse»), lafen, lääft («laufen, läuft»), usw.

  Wgm. w verschwand in der Anlautsverbindung von w + Konsonant: reiwen, «reiben», räissen, «reißen». — Wgm. hs wurde im 10.—11. Jahrhundert zu ss assimiliert: wuessen, «wachsen», Uess, «Achse».

  Das r wurde zuweilen umgestellt: Burna-Brunike («Born»), Girste-Kriske (Girst).

  Der Diphthong io ging, teilweise schon im 9. Jahrhundert, zu ie über: lioht wurde lieht («Licht»), iouuelîch, nio (Trierer Capitul.) «jeglich», «nie (mals)».

  Volle Endsilbenvokale wurden im 10. und 11. Jahrhundert zu dumpfem e abgeschwächt: sachun, uuerthan (Trierer Capitulare), «Sachen, werden»; die Vorsilben za-, ga-, ar-, far- im 8.—9. Jahrhundert durch zi-, gi-, fir- ersetzt: irvangida (Trierer Capitulare), irgeban («herausgeben»), firgeban («vergeben»); neben zi erscheint auch ze: ce gevene (Trierer Capitul.), «zu geben». Ersatz von -s durch -st in der 2. Person Singul. (du nimis — du nimist, im 9.—10. Jahrhundert) trat bei uns nicht ein: du danzes 13. Jahrh., «du danz», du maches 13. Jahrh., «du mëchs» (du tanzest, du machst).

  Als Neuerungen im 11.—14. Jahrhundert sind zu erwähnen:

  Die Abschwächung voller Vokale in schwachbetonten Endsilben (11. Jahrh.); avent, dohter (13. Jahrh.), Owend, Duechter («Abend, Tochter»). Die Beseitigung des auslautenden e, die in ihren Anfängen in diese Zeit zurückreicht: Speis, «Speise», Ried, «Rede», Wöllef, «Wölfe». Sonst wurde das unbetonte e, namentlich nach r und l besser bewahrt als in oberdeutschen Mundarten: fueren, «fahren», huelen, «holen».

  Der i-Umlaut wurde überall, auch vor hs und ht, durchgeführt: mächtig, usw. Rückumlautsformen liegen in gestallt für «gestellt», gehouert für «gehört», gehutt für «gehütet», erzalt für «erzählt» u. ä. vor.

  Wgm. â ging in o über: Sprooch («Sprache»), Schoof («Schaf»). — Die Diphthonge ie, uo, üe wurden vielfach monophthongiert: gout, goot, guut, gutt («gut»), léif, liif, leef («lieb»), Bréider, Bridder («Brüder») usw.

  Schon im 11. Jahrhundert ging sk zu sch über: schéin («schön»), wäschen («waschen»); im 13. Jahrhundert s im Anlaut vor Konsonant zu sch: schwammen («schwimmen»), Schlaang («Schlange»), Schnéi («Schnee»); st im Inund Auslaut stellenweise zu scht: Nascht («Nest»), Këscht («Kiste»), fescht («fest»).

  Die Verbindung ft verwandelte sich in ht: Luucht («Luft»), Gruecht («Gruft»), stiichten («stiften»), uechter (mhd. after). — Zwischen Vokalen wurde h vielfach ausgestoßen und es folgte Kontraktion: Tréin, «Träne» (mhd. trahen, trähene, trêne), gesin, «sehen», e schléit, «er schlägt» (mhd. slähet, slêt), Véi, «Vieh» (mhd. vihe, vie). Schwund von h trat außerdem nach r und l vor Vokal ein: Mier, «Stute» (mhd. merhe, mere); ferner zwischen r und t: fiärten, «fürchten» (mhd. vorhte, vorte = «Furcht»); im Auslaut no, «nach» (mhd. nâch, nâ), Hougeriicht, «Hochgericht» (mhd. hôch, hô = «hoch»), Schong, Schou, «Schuh» (mhd. schuoch, schû).

  Im 14.—17. Jahrhundert wurden alte Kurzvokale in offener Silbe teils gedehnt, teils diphthongiert, oder sie blieben erhalten: Friid, Fridd («Frieden»), Liewen («Leben»), Stouf, Stuff («Stube»). Vor Doppelkonsonanz wurden alte Längen teils gekürzt, teils diphthongiert: Frënd, Fréind («Freund»), Houffert, («Hoffahrt»). Die langen Vokale i, u, ü wurden meist in Diphthonge verwandelt: mäin («mein»), nei («neu»), Häus («Haus»); doch sind Formen erhalten wie mään, Hoos, u. ä.

  Manche Neuerungen erstreckten sich auf den Formenbau, auf die Wortbildung und den Satzbau. Statt des Genitivs wurde der possessive Dativ gebraucht: dem Kand sei Nekleeschen («des Kindes Nikolausbescherung»), dem Papp seng Päif («des Vaters Pfeife»), mëngem Brudder sein Haus («meines Bruders Haus»).

  Das Gebiet des Umlauts wurde erweitert: Haff, Häff («Hof, Höfe»); doch blieben Ortsnamen ohne Umlaut: Diddenhuewen («Diedenhofen»). Auch die Mehrzahlform -er wurde mehr und mehr angewendet: Haiser («Häuser»), Kanner («Kinder»), Bëscher («Büsche»), Gääschter («Geister»); indes sagen wir noch zwee Haus, drei Mann. In unsern Ortsnamen auf -hausen ist die alte Form erhalten geblieben (Munshausen, Rodershausen).

  Attributiver Genitiv und Eigenschaftswort wuchsen mit dem Dingwort zusammen: Sonneschäin («Sonnenschein»), Sauermous («Sauerkraut»), Wëldschwäin («Wildschwein»).

  In der Beugung des attributiven Eigenschaftswortes haben wir die mittelalterliche Freiheit nicht völlig aufgegeben: e gudde Mann, gudd Männer («ein guter Mann, gute Männer»), eng gutt Fra, gutt Fraen («eine gute Frau, gute Frauen»).

  Die Akkusativform lautet: ein weingart, vor ein baumgart, 17. Jahrh., «einen Weingarten, Baumgarten»; die Dativform: hinder ander herren, 16. Jahrh.

  Die Zahl 2 gebrauchen wir in 3 Formen, für die 3 Geschlechter: dy zwâ (femin.), zwêne spileman (mascul.), 13. Jahrh., zwene gulden, 15. Jahrh., die zwen (mascul.), zwoe verscheidene commissiones, 17. Jahrh., zwéi Männer, zwou Fraen, zwee Médercher.

  Das Geschlecht der Nomina ist nicht in allen Fällen dasselbe wie im Schriftdeutschen: Baach, Femin., «der Bach», Laascht, Masculin., «die Last».

  Die alte Vergangenheitsform des Zeitworts ging unter: ech hu geschriwen, gelaacht, ech si getratt, gefall, geklotert («ich schrieb, lachte, trat, fiel, kletterte»).

  Die 3. Person Singul. lautet: kost, 16. Jahrh., kascht, «kostet»; das Imperfektum sach und gesach, 13. Jahrh., gesouch, «sah», quam, 13. Jahahr., kuoum, koum, «kam», das Partizipium Perfekti kommen sint, 16. Jahrh., si komm, «sind gekommen», gebrach, «gebrochen», gekleit, 13. Jahrh., gekleet, «gekleidet», gewiescht, «gewesen», gerechenet 16. Jahrh. gerechent, «gerechnet», das Partiz. Perf. geléiert in der Bedeutung «gelehrt» und «gelernt». Die 2. Person Singul. Imperativ heißt sëf, sief neben séi (für «sei»), die 3. Person, et sief, «es sei». «Ich bin» wird übersetzt mit ëch sin; für «werden» gebrauchen win gin: ëch gi gesond, «ich werde gesund». Es heißt nicht: «er ist gestanden, gesessen», sondern en huet gestanen, en huet gesiess.

  Im Erhaltungsgebiet leben viele alte Wörter weiter, die anderswo untergegangen sind: altes inde, ende in lux. an für «und», hînaht, hînet (= diese Nacht) in lux. héint, hënt, mhd. dicke (= oft) in lux. dack, dacks, lux. haart für «laut», nëmmen für «nur», die alte Form van (im Ösling) für «von», näischt, näist für «nichts», âr 13. Jahrh., or (im Ösling) für «oder», drëchen für jüngeres «trocken», Sëschter für «Schwester», Schaf für «Schrank», usw.

  Manche Wörter starben aus: michel, «groß», lützel, «klein», diet, «Volk»; doch ihr Andenken ist in Ortsnamen niedergelegt: Michelau, Michelbuch, Diekirch, Lützelburg (Luxemburg).


C.
Sprachgrenzen.

  Auf die luxemburgische Sprachgrenze wirkten bestimmend die Waldbedeckung des Geländes, die Hydrographie, die Römerstraßen und vielleicht auch alte gallische Karrenwege. In jüngster Zeit taten es aber besonders die Staatsgrenzen. Welche Rolle diesen Faktoren im Einzelnen zukommt, in wieweit sie bei der fränkischen Landnahme zur Völkerwanderungszeit und später bei der Rückromanisierung in Erscheinung traten, soll hier nicht erörtert werden. Kurth, Dubois, Petri, Steinbach und J. Meyers haben verschiedentlich zu den betreffenden Fragen Stellung genommen. (S. Literaturverzeichnis.)

  Das Luxemburgische ist im gesamten Großherzogtum Volkssprache und dazu weitgehend Gebildetensprache. Jenseits der Landesgrenzen, vorzüglich in den ehedem luxemburgischen Landesteilen Belgiens, Lothringens und des Rheinlandes, gilt es nur als Umgangssprache mit rückläufiger Tendenz. Die Abgrenzung gegen das französische und wallonische Sprachgebiet läßt sich dort in ziemlich scharfer Linienführung darstellen. Nach Norden, Osten und Südosten hingegen, wo es mit deutschen Mundarten zusammenfällt, ist die Scheidung unbestimmbar. Einzelne Spracherscheinungen mögen, und das meist nur auf kurze Strecke, mit einem Male ausfallen, aber immer werden Spracheigentümlichkeiten aus einem Gebiet in das andere übergreifen, sich überschneiden und bestenfalls einen mehr oder minder breiten Grenzsaum, nicht aber eine Grenzlinie zulassen. Übrigens liegen allgemein die Grenzverhältnisse der Mundarten untereinander nicht anders.

  Verfolgen wir zunächst die scharfe Absetzung zwischen Luxemburgisch und Französisch-Wallonisch! Von der Dreiländerecke bei Rodingen ausgehend, finden wir auf romanischem Sprachgebiet Halanzy, Rachecourt, Meix-le-Tige, Habay und Fauvillers; luxemburgischer Zunge sind Athus (Athem), Messancy (Mietzeg), Aubange (Ibeng), Habergy (Hieverdang), Torgny (Tierneg), Hachy (Herzeg), Nobressart (Elcheroth), Bodange (Bedingen), Wiesenbach (Wisbech), Martelange (Marteleng oder Martel), Tintange (Tinnen). Nordwärts verläuft die Sprachgrenze in enger Anlehnung an die Landesgrenze zwischen Belgisch-Luxemburg und dem Großherzogtum.

  Auch diese Teilung ist im einzelnen strittig. Nach A. Bertrang15) zählt Aixsur-Cloix (Esch op der Hurt) zum wallonischen Gebiet; vor zwei Jahrzehnten war der Ort noch als vorwiegend luxemburgisch eingereiht. Die Karte von J. M. Remouchamps16) (1927), die ohne persönliche Einsichtnahme des Verfassers auf Grund von offiziellen Statistiken urteilt, mußte schon 1935 überprüft werden, weil die Zuteilung von Halanzy (Hueldang), Meix-le-Tige (Deutsch-Meer) und Rachecourt (Rösig) zum luxemburgischen Mundartgebiet den Tatsachen zuwiderläuft. Wie Alfred Bertrang klarlegt, ist infolge des Zuzugs von Romanen in vordem luxemburgisch sprechende Dörfer das Luxemburgische in Belgisch-Luxemburg, besonders in den Industriegebieten längs der französischen Grenze im Rückgang. Auch beantworten die Einwohner die bei Volkszählungen gestellte Frage nach der sprachlichen Zugehörigkeit übereilt mit französisch, sei es, daß die Verwaltungs- und Gerichtssprache französisch ist, sei es, daß sie infolge der kriegerischen Ereignisse von 1914 bis 1918 und erneut von 1940 bis 1944 ihre Abneigung gegen Deutschland auch auf die deutsche Sprache, sogar in ihrer luxemburgischen Abart, ausdehnen wollen. So sprechen in Athus laut Volkszählung von 1930 211 Einwohner nur luxemburgisch oder deutsch, dagegen 2933 nur französisch und 1860 beide Sprachen. Dabei liegt Athus von alters her im luxemburgischen Sprachgebiet. In Aubange sei der offiziell ausgedrückte Rückgang noch ausgeprägter, schreibt Bertrang17), und ebenso in der Provinzhauptstadt Arlon mit ihrer von auswärts zuziehenden Beamtenbevölkerung. Nach einem sprachlich ausgerichteten Stadtplan wird dort luxemburgisch mehrheitlich in dem Alt-Arloner Stadtteil um die «Knippchen» (St. Donatushügel) gesprochen; die neueren Stadtanlagen, auch die nach dem Großherzogtum führenden Straßenviertel verfielen mehr und mehr der französischen, nicht aber, wie irrtümlich behauptet wurde, der wallonischen Sprache. Diese Richtigstellung zeigt, daß Arlon, ein ehedem luxemburgisch sprechendes Städtchen, seit 1830 nicht durch eine sprachliche Grenzverschiebung, sondern durch Infiltrierung von französisch-sprechenden Beamten und Militärs eine Umwandlung erfuhr (wie auch Brüssel, in flämischem Sprachgebiet, sich seit seiner Erhebung zur Hauptstadt des belgischen Königsreichs 1831 gallizisiert hat).

  Die westlich Arlon liegenden Dörfer bis nach Hachy, dem westlichen Ausläufer luxemburgischen Sprachtums, behielten ihre luxemburgische Ausdrucksweise bei. Immerhin kommt in dem Visitationsbericht von 162818) zum Ausdruck, daß Arlon schon damals eine starke französische, richtiger wallonisch zu nennende Minderheit, aufwies. Es hieß hier nämlich, daß die «Lingua Gallica seu Wallonica aeque vulgaris ac communis est hic aut parum est ac Germanica.» Die Kapuziner auf der «Knippchen» predigten schon früher und auch damals in französischer Sprache, dagegen war die Kirchensprache der Pfarrei St. Martin deutsch.

  Wie stark die politische Lage auf die sprachlichen Verhältnisse im Grenzsaum einwirkte, zeigt andrerseits die Verschiebung zu Gunsten des Luxemburgischen diesseits der Grenze. Nach Legros19) besteht Viersprachigkeit in den kleinen luxemburgischen Grenzorten Doncols und Sonlez (Soller), wo Luxemburgisch die Umgangssprache und Deutsch in beschränktem Umfang die Verwaltungssprache ist, wo aber einige Familien von alters her, andere durch Einheirat von der wallonischen Seite, sich im Hausinnern des Wallonischen und zur Lektüre des Französischen bedienen. Tarchamps (Ischpelt) sei im gleichen Fall, doch sei dort niemals französisch gepredigt worden. In Watrange (Walter) läßt sich kaum eine zuverlässige Behauptung wagen; der Ort zählt nur wenige Häuser, so daß durch Heirat und Zuzug innerhalb einer Generation ein Wandel möglich ist. Seit 1925 ist das Wallonische dort so gut wie verschwunden, obschon einige Alteingesessene es noch beherrschen. Trotten ist, entgegen der Behauptung Bernadots, niemals wallonisch gewesen.

  Gegen Frankreich fällt, von Deutsch-Lothringen abgesehen, die politische Grenze mit der Sprachgrenze zusammen. Eine Ausnahme macht das Bergmannsdorf Lasauvage: dies ist eine Neugründung im Gefolge der Eisenerzgewinnung und wird meist von Belgiern bewohnt. Der südliche Teil von Rodange (heute Ober-Rodingen), das ehedem im französischen Sprachgebiet lag, ist heute luxemburgisch geworden20). Hier, wie übrigens auch in den entwallonisierten Orten Watrange, Sonlez und Doncols, blieben, als Zeugen früherer sprachlicher Zugehörigkeit die Flurnamen romanisch.

  Die Sprachgrenze folgt im Süden der ehemaligen politischen Grenze zwischen Französisch-Lothringen und Deutsch-Lothringen, längs Redingen, Rüssingen und Deutsch-Oth (Audun-le-Tiche), während Thil, Tiercelet und Villerupt französisch sind. Ein Teil der Ortschaft Tiercelet, luxbg. Lahr, heißt frz. Bourenne und wird in den lateinischen Urkunden mit Fontibus bezeichnet, welche Wörter das Luxemburgische mit Buren (Pl. von Bur, hd. Brunnen) wiedergibt. Heute französisch, scheint es früher luxemburgischer Mundart gewesen zu sein. Südlich richtet sich die Sprachgrenze gegen Uckange (Ückingen), dann westlich bis in die Nähe von Busendorf (Bouzonville), wo sie sich nordwärts wendet, mit Sierck als Eckpfeiler. Da Sierck nie unter luxemburgischer Herrschaft war, wie auch der deutsche Nachbarort Perl die längste Zeit als kurfürstlich Trierer Korridor zur Mosel fremdhörig war, bieten diese beiden Orte weniger luxemburgische Spracheinheiten als die weiter östlich gelegenen Orte der Wasserscheide zwischen Mosel und Saar bis zu der Flußmündung bei Konz. Im deutschen Moseltal bildet Igel als ehedem luxemburgischer Besitz eine Einbuchtung luxemburgischen Sprachtums bis hart an die Trierer Vororte.

  Nordostwärts ist die Sprachgrenze, wie schon hervorgehoben wurde, unbestimmbar. Hier, wie auch in Lothringen, macht sich durch die politische Zentralisierungskraft, durch die Einwirkung der Schule und durch den Militärdienst in anderssprachlicher Umgebung ein rascher Rückgang der luxemburgischen Mundart bemerkbar. Nur abseitige kleinere Orte bleiben alter Ausdrucksweise treu. Immerhin halten solche, die früher luxemburgisch waren, wie Bitburg, Dudeldorf (eine Enklave), zäher an der Sprache ihrer früheren Landesherrlichkeit fest. Die ehedem kurfürstlichen Trierer und die Prümer nennen diese Landesteile «Jrofeland» (Land der Grafen von Luxemburg) und deren Bewohner «Sponier», in Erinnerung an die weit zurückliegende spanische Herrschaft in Luxemburg.

  Alles in allem ergibt sich, daß bei der gewollten Abkapselung des Großherzogtums von den sprachlichen und politischen Einflüssen von Preußen her die Auseinandersetzung des ursprünglich einheitlichen Sprachgebietes sich seit dem ersten Weltkrieg längs der politischen Flußgrenze (Mosel, Sauer und Our) stark bemerkbar macht. Linguistisch sind die Außenteile des Luxemburgischen, besonders die Arloner Exklave, Reliktgebiete und bilden demgemäß einen luxemburgischen Reliktbestand von hierlands aussterbenden Wörtern und Wendungen, wie ihn das Luxemburgische überhaupt, am Rande des lebendigen deutschen Sprachstroms in stiller Bucht verankert, für das gesamtdeutsche Sprachgebiet bildet.

  Bei einer Höhenschau über den Verbreitungsbereich der luxemburgischen Sprachlandschaft zeichnet sich also eine dreigeteilte Stufung ab: ein Kerngebiet innerhalb des Großherzogtums zeigt mäßige Durchsetzung mit deutschen und französischen Fremd- und Lehnwörtern; das preußische Gebiet enthält geringen ältesten Wortbestand, und eine viel jüngere Vermengung mit neudeutschem Sprachgut; die belgischen und lothringischen Gebiete hingegen sind durch vereinzelte Archaismen und starke Überfremdung durch französische Wörter und Wendungen gekennzeichnet21).


D.
Stellung des Luxemburgischen
zum Hochdeutschen und Französischen.

  Luxemburgisch ist Umgangssprache im ganzen Luxemburger Land, mit Ausnahme der Bergarbeitersiedlung Lasauvage. Wie eben ausgeführt wurde, sind wallonische Überbleibsel in Soller und Doncols am Aussterben.

  Dem mit sprachlichen Dingen wenig Vertrauten gilt das Großherzogtum vielfach als ein zwei- und sogar dreisprachiges Land. Jeder Luxemburger aus jeder Gesellschaftsschicht spricht jedoch seine Mundart, die für ihn als eine Art Hochsprache gilt, in allen Lagen des privaten und selbst in vielen Beziehungen des öffentlichen Lebens. Er sieht darin den vorzüglichsten Ausdruck seiner Eigenart. Nur in ihr besitzt er ungezwungene Leichtigkeit und ursprüngliche Frische, äußert sich sein Gemüt oder sein Humor. Luxemburger Nationalgefühl und Nationalwille beruhen zum großen Teil auf dieser gemeinsamen Basis. Die Heimatsprache (das «Platt») wird im täglichen Gebrauch von keiner Schriftsprache verdrängt, höchstens wird sie heute langsam von innen ausgehöhlt.

  Für die höheren geistigen Werte, die Technik und die Verwaltung treten die beiden erwähnten Weltsprachen, deutsch und französisch, ergänzend hinzu. Nach Art. 29 der Verfassung ist ihr Gebrauch jedem Luxemburger freigestellt, ohne daß er irgendwie darin eingeschränkt werden darf.

  Dieser «Bilinguismus» geht auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurück. Seit dem 12. Jahrhundert umfaßte die Grafschaft Luxemburg einen deutschsprachigen und einen wallonischen Teil. Das Luxemburger Grafenhaus unterhielt kulturelle und sogar verwandtschaftliche Beziehungen zum französischen Königshaus. Ämter und Bräuche französischer Art wurden seit Ermesinde (1196 bis 1247) in Luxemburg eingeführt. Die ersten Urkunden, die das Lateinische aufgeben, sind in französischer Sprache verfaßt. Unter Johann dem Blinden (1310—1346) und besonders unter den luxemburgischen Kaisern tritt das Deutsche hinzu. Seit der burgundischen Eroberung (1443) drang unter den wechselnden Fremdherrschaften das Französische immer stärker in die Verwaltung ein. Als Bildungssprache erfaßte es Teile des Adels und der Bürgerschaft; aber im Volke blieb sein Gebrauch beschränkt; auch das Hochdeutsche drang wenig ins Volk.

  Die sogenannte Zweisprachigkeit Luxemburgs ist auch heute ausschließlich eine Bildungsangelegenheit. Sie spielt allerdings in dieser Hinsicht eine entscheidende Rolle. Kein irgendwie gebildeter Luxemburger kann des Deutschen oder des Französischen entraten. Vor- und Nachteile dieser Lage ergeben ein beliebtes Diskussionsthema. Die Nachteile sind vor allem die lange Zeit der Ausbildung und des geistigen Reifeprozesses, das Erlernen von Wörtern statt Sachen, das mangelnde Hineinwachsen in einen bestimmten Kulturverband, die Unsicherheit im Gebrauch einer jeden der beiden Sprachen, die geringe Produktivität im Geistigen mit gewissen Hemmungen im Charakter; zu Gunsten der luxemburgischen «Zweisprachigkeit» («Dreisprachigkeit») ließe sich sagen, daß der gebildete Luxemburger eine verhältnismäßig weitgehende Kenntnis von zwei wichtigen Sprachen und Kulturen besitzt, und daß er sie praktisch zu verwerten und geistig zu erarbeiten imstande ist. Schließlich macht die geographische und politische Lage des Landes daraus eine praktische Notwendigkeit und eine Bedingung luxemburgischer Selbstbehauptung!

  Im Literarischen kommt seit dem 2. Viertel des XIX. Jahrhunderts der Mundart eine Stellung neben deutsch und französisch zu. Natur-, Heimat- und Liebesdichtung, Tierepos, Humor in Gedichten, Lustspielen und Schwänken, sowie erzählende Prosa bilden ihren Hauptbestandteil. Dem einfachen, im Konkreten ziemlich reichen, saftigen, manchmal derben, im Abstrakten dagegen recht dürftigen Charakter der Mundart entspricht diese natur- und volksnahe Dichtung.

  Was die Schule angeht, so lehren die Elementarklassen vornehmlich in deutscher Sprache. Am Ende des zweiten Jahres tritt das Französische als Fremdsprache hinzu. Luxemburgisch ist erst seit 1945 besonderes Lehrfach und kann sich bei den großen Anforderungen der andern Fächer kaum halten. In den unteren Klassen der höheren Schulen wird vor allem deutsch, in den oberen französisch unterrichtet; auch hier ist in den zwei unteren Klassen je eine Wochenstunde für das Studium des Luxemburgischen vorgesehen (die Bildungsnotwendigkeiten der Schule schließen einen weiteren Gebrauch der Mundart aus). Hochschulen besucht der Luxemburger im Ausland nach freier Wahl.

  Kirche und Zeitung wenden sich ans Volk, gebrauchen jedoch nur selten das Luxemburgische. Die Kirche verwendet im allgemeinen die hochdeutsche Schriftsprache; nur gelegentlich werden Versuche gemacht, dem Luxemburgischen im Gebet und Gesang, sowie vor allem in der Predigt Eingang zu verschaffen. Die Zeitungen und Zeitschriften sind zwar deutschsprachig, veröffentlichen aber auch französiche und luxemburgische Artikel. In Luxemburg gedruckte französische Zeitungen hatten jederzeit Mühe, gegen die Konkurrenz der Pariser Blätter aufzukommen. Heute besteht nur noch eine Luxemburger Ausgabe der belgischen Zeitung «La Meuse». Das Luxemburgische hat sich im Zeitungswesen nicht durchzusetzen vermocht, trotz der Bemühungen der «Unio'n» (1945—1948). Es ist wohl gut so, denn die Reinheit der Mundart litt unter der täglichen Zeitungsproduktion, die wahllos französische und hochdeutsche Ausdrücke übernahm und den Charakter der Sprache zu verwischen drohte.

  Im öffentlichen Leben ist nach der Verfassung, wie oben erwähnt, der freie Gebrauch des Deutschen wie des Französischen gesichert. Notare müssen (laut Art. 24 des kgl. Beschlusses vom 3. Oktober 1841 über die Notariatsverfassung) die von den Parteien gewählte Sprache anwenden.

  Vor den Gerichten wird, schon wegen der Beibehaltung des Code Napoléon, durchgängig das Französische gebraucht, vor allem in Anklage- und Verteidigungsreden. In Strafsachen werden jedoch die Urteile in deutscher Sprache abgefaßt. Im direkten Kontakt mit dem Volk (bei Verhören und Zeugenaussagen) wird meist luxemburgisch gesprochen.

  Die Kammerdebatten fanden vor dem zweiten Weltkrieg in französischer oder deutscher Sprache statt, wobei es dem einzelnen freistand, seine Sprache zu wählen. Heute hat das Luxemburgische das Deutsche verdrängt. Selbst die Sitzungsberichte wurden bis vor kurzem — zum Leidwesen der ausländischen Diplomaten — zum Teil in der Mundart gedruckt. Auch hier gilt, was oben über das Luxemburgische im Zeitungswesen gesagt wurde.

  Die Veröffentlichung der Gesetze im offiziellen «Memorial» geschah früher nebeneinander in französischer und deutscher Sprache; der französische Text, welcher der Kammer vorgelegen hatte, war jedoch allein maßgebend. Heute erfolgt die Veröffentlichung nur auf französisch.

  Die Verwaltungen gebrauchen beide Sprachen, vor allem wenn sie sich an das Volk wenden. Vereinzelte Versuche, nach dem Krieg auch hier das Luxemburgische hinzuzuziehen, sind ohne Erfolge geblieben.

Lehn- und Fremdwörter.

  Ständiger Kontakt an der Sprachgrenze sowie dauernde kulturelle Beeinflussung brachten es seit Römerzeiten mit sich, daß eine Menge romanischer Ausdrücke in unsere Sprache eingedrungen ist. Ältere romanische Elemente reichen zum Teil über das ganze deutsche Sprachgebiet, andere sind über Moselund Rheingegend verbreitet. Sie betreffen z. B. den Ackerbau (Fimmel, Kolter, ieren, Är), den Weinbau (Kelter u. a., dazu viele Orts- und Flurnamen), den Gartenbau (Praum, Biir, <nn), die Viehzucht (Päsch, Plaum), die Fauna (Märel, Mësch, Peiperleck), sowie Wegebau (Kiem), Hausbau (Käffer, Stäil, Stäip), Handwerk (Ketten, Klauschter, Aulebäcker). Die Kirchensprache lieferte u. a. afferen, Aarmes, Duxal.

  Bei neueren Entlehnungen aus dem Schriftfranzösischen oder aus französischen Nachbardialekten (wallonisch, gaumais, frz. lothringisch) ist der Unterschied zwischen Lehn- und Fremdwort gleitend, und die Zahl der übernommenen Wörter läßt sich nicht feststellen, da sich von der einmaligen Verwendung bis zur völligen Einbürgerung alle Zwischenstufen finden.

  Das Fremdwort bleibt dabei zum Teil unverändert, zum Teil ändert es die Betonung oder auch den Lautbestand.

  Bei französischen Verben wird -er zu -éieren, Dingwörter ändern -tion zu -tioun, -ment zu -ment ohne Nasalierung des Vokals. In häufigen Entsprechungen wird auch französisch -el(le) oder -eille zu unbetontem -el (z. B. Rondel, Kordel, Kurbel). Französisches -on (oft auch -ot) wird -ong (Prisong, Paltong), die Aussprache von anlautendem s in romanischem Lehngut ist z (Zalot, Zaldot, Zerwis, Ziniklos). Anlautender Nasallaut (in-, en-, em- usw.) wird oft zu an- am-, ohne Nasalierung des Vokals (Antressi, Ambra, Amplejéiert). Die Endung -ier ist vom Sprechenden als Deminutivendung (chen) aufgefaßt (Klautchen, Bijhutchen, Kärtchen, Gischtchen, Zalättchen). Das gleiche gilt vereinzelt von anderen Endungen (Bëffchen, Oschtchen). Einzelne Wörter werden, zum Teil in Anlehnung an wallonische Formen, durch Metathese entstellt (Dicks [disque], Block [boucle], Barlaff [balafre). Hybridenbildungen (wie veraccordéieren, Untack, flemmzeg), Wortentstellungen und -verwechslungen (ridicule für réticule, Fisek für fusil), volksetymologische Verstümmelungen (Aarmes, Birefank) finden sich häufig bei stärker eingebürgerten Wörtern. Manchmal trägt ein Wort das französische Geschlecht (Botter [m.], Zalot [f.]). Lehnübersetzungen sind leider bisher nicht erforscht (z. B. engem es wöllen). Auch über Satzmelodie und Satzbau in ihren fremden Beeinflussungen stehen Untersuchungen aus. Im Gegensatz zum Hochdeutschen verbindet die luxemburgische Satzphonetik die Wörter, jedoch nach anderen Gèsetzen als das Französische.

  Nach Sachgebieten gibt es vor allem Entlehnungen in Gruß- und Höflichkeitsformeln (Bonjour, Merci, Pardon), aber auch in Flüchen, Verwünschungen und Beleidigungen (Nondidieu, Kanaljen u. a.).

  Viele Berufe (z. B. Coiffeur, Modiste, Caissier, Chauffeur, Monteur, Notaire, Avoué) tragen französische Namen. Manchmal bestehen zwei Bezeichnungen: facteur tritt neben Bréifdréier, dentiste neben Zänndokter, Cheminde-ferriste neben Eisebunner.

  Bergbau und Eisenindustrie sowie Eisenbahnwesen gehen in ihren Ursprüngen auf französische Gesellschaften und Verwaltungen zurück. Über die Eisenindustrie s. bei Hess: Die sprachliche Eigenart der Luxemburger Eisenindustrie, Jb. 1926; zum Eisenbahnwortschatz vgl. z. B. Gare, Billet, Guichet, Chemin-defer (riste).

  Handwerker machten bis etwa gegen Ende des 19. Jahrhunderts häufig ihren «Tour de France». So haben Schuster (s. Pletschette: Der Dorfschuster, Vjbl. 19/20) und Schreiner, Schmied und Schneider eine Menge handwerklicher Ausdrücke aus dem Französischen übernommen und zum Teil entstellt (z. B. Zerjhant [serre-joints).

  Besonders zahlreich sind die Bezeichnungen in Mode und Bekleidung (brodéieren, appretéieren, Brosch, Plott; Paltong, Jhili, Getten); im Hausbau (Plafang), in Mobiliar und Haushaltsausstattung (Buffet, Fotell, Forchette). Die Küche liefert Biwelemout, Jhelli, Purée. In der Gärtnersprache finden wir Choufleur, Kabes, Kornischong, Rénglotten und Piijhen; und Blumennamen wie Aarmenäer und Vioulen u. a. (Lilas und Pensée haben ihre französische Form behalten).

  Selbstverständlich gibt es viele Lehn- und Fremdwörter in der Sprache des Handels (Affaire, Boutique), der Schule (s. Tockert: Zur Luxemburger Studenten-, Pennäler- und Schulsprache [Jhb. 1933]), des Gerichts- und Verwaltungswesens (Barreau, Stage, Avoué, Arrêté), sowie der Kirche (Abbé, Soutane). Viele dieser Wörter haben den französischen Lautbestand beibehalten, höchstens die Betonung gewechselt.

  Auch die Verwandtschaftsbezeichnungen sind teilweise romanischer Herkunft, wie Mononk, Matant, Nevi, Nies, Koseng, Cousine.

  Endlich werden aus dem Französischen wie aus dem Hochdeutschen viele Bildungswörter übernommen. Sie sind oft mangelhaft eingebürgert und der Mode unterworfen, weil sie Bestehendes verdrängen oder überlagern. Sagt man Gediechtnes oder Mémoire? (Verhalt ist dafür das luxemburgische Wort); Zoukonft oder Avenir, mit Betonung auf der ersten Silbe? Keines von beiden! Man sucht eine andere Wendung. Allein bei dem Buchstaben a finden sich französische Wörter gehäuft: abuséieren, accabléieren, acceptéieren, acclaméieren, accomodéieren, accouchéieren, acquittéieren, affichéieren. Diese Verben werden zum Teil häufig gebraucht und zeigen die Leichtigkeit von sprachlich uninteressanten Entlehnungen. Auch hochdeutsche Bezeichnungen wie ëmzéihen, statt plënneren, sogar Schmetterling für Peiperlek, Maikäfer für Kiewerlek, oder seit statt zënter werden heute in stärkerem Maße gebraucht; man bildet unschöne, unluxemburgische Partizipien. Selbst neuere Entlehnungen machen Bedeutungsverschiebungen mit, wie z. B. Blinddarm für Blinddarmentzündung, Flieger (neben Äroplan und Avion) für Flugzeug.

  Im ganzen bildet die Leichtigkeit der Entlehnung eine Gefahr für die Mundart. Gebildete und Halbgebildete bringen je nach ihrer politischen und kulturellen Einstellung oder nach dem Ort ihrer Ausbildung ganze Wagenladungen fremder Ausdrücke in die Heimatsprache hinein. Die Grenze des Zulässigen ist dabei schwer zu ziehen; doch sollte im allgemeinen nur das Aufnahme finden, wofür sich im ursprünglichen Wortbestand keine Entsprechung finden läßt. Sätze mit zahlreichen französischen und hochdeutschen Brocken fordern immer wieder die Spottlust des Volkes und seiner Lustspieldichter heraus (Koseng Ficelle in Dicks' «Kirmesgäscht»). Wenn wir nun einmal das Luxemburgische als ein Hauptkennzeichen des Luxemburgers ansehen, müssen wir ihm seine Eigenart möglichst bewahren! Daher nimmt auch unser Wörterbuch allgemein nur solche Wörter und Wendungen auf, die in Form oder Bedeutung etwas Eigenes bieten.


E.
Die luxemburgische Mundart.


I.Gemeinsprache und Lokalmundarten.

  Das Luxemburgische ist in seinem Kerngebiet, dem Großherzogtum Luxemburg, die Sprache der Luxemburger. Die Volkszählung von 1947 stellte für das Großherzogtum eine Bevölkerung von 290 992 Einwohnern fest. Darunter gab es 29 142 Fremde, von denen aber eine große Anzahl sich ebenfalls des Dialektes bedient.

  Das alte Herzogtum Luxemburg begreift viel größere Territorien, und so war seine Sprache nach N., S. und O. auf ansehnlicherem Raum verbreitet. Das heutige Luxemburger Wörterbuch muß sich natürlich auf das politische Gebiet Luxemburgs beschränken, wie es übrigens auch seine beiden Vorgänger getan haben.

  Es sei auch darauf hingewiesen, daß in den verflossenen Dezennien die Vokabulare früherer luxemburgischer Territorien sowohl von deutscher wie von französischer und belgischer Seite veröffentlicht worden sind22).

  Nur das Wörterbuch der 20 luxemburgisch sprechenden Gemeinden von belgisch Luxemburg steht noch aus. Die meistbekannten Werke, die über Sprache und Volkstum dieser Gemeinden erschienen sind, haben übrigens in unseren Verzettelungen Platz gefunden.

  Das Luxemburgische gehört linguistisch zum Mitteldeutschen und in dieser Gruppe zum Westmoselfränkischen.

  Der Begriff moselfränkisch ist allerdings, wie Andreas Scheiner sagt, ein «bequemer Ausdruck». Die neuere Sprachforschung nimmt deshalb das Aufgehen des Luxemburgischen im Gesamtgebiet des Moselfränkischen nicht an. Josef Müller, der verstorbene Herausgeber des Rheinischen Wörterbuchs, faßte Luxemburgisch und Prümisch als Westmoselfränkisch zusammen: es kommt ihm zwar, wegen der Verschiebung von rp zu rf und wegen seiner stimmlosen Medien und aspirierten Tenues, hochdeutscher Charakter zu, aber es liegt, wie mehrfach u. a. von John Meier, dem Herausgeber von Yolanda, von A. Wiltheim, erkannt worden ist, zur ripuarischen Seite der rd/rt-Grenze, und sein Konsonantismus ist vorwiegend stimmhaft. Bei der wissenschaftlichen Behandlung des Luxemburgischen tut man deshalb immer gut, sich an die Sprachlinien zu halten, die ausführlich von Theodor Frings in «Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden» erörtert und gezeichnet worden sind.

  Seit der Unabhängigkeit Luxemburgs und dem Erblühen seiner DialektLiteratur, welche rasch populär wurde, entstand auf Grund der Sprache des früheren Kantons Luxemburg-Land, die Koinè oder Luxemburger Gemeinsprache.

  Die ältesten luxemburgischen Texte, welche wir besitzen (Erhebungen Coquebert de Montbret, 1807), geben nur Lokalmundarten wieder. Gedruckte Texte, die im Luxemburg der zwanziger Jahre erschienen sind, sind in der Sprache der Hauptstadt verfaßt. Das älteste literarische Werk wurde zwar in Echternach geschrieben, ist aber auch in derselben Mundart. Durch Ganglers literarische Tätigkeit und besonders sein Wörterbuch übernahm das Zentrum des Landes definitiv die Führung. Die Lustspieldichter und Satiriker benutzten natürlich die Lokalmundarten zu komischen Wirkungen. Rodange arbeitete sie sogar belehrend zu einer Art farbigen Teppichs aus in seinem «Renert».

  P. Klein stellte zuerst die Theorie der vier Untermundarten auf (Alzette-, Sauer-, Mosel- und Öslinger Mundart), die dann Geltung behielt, bis Engelmann in seinem Vokalismus der Viandener Mundart (1909) mit ihr aufräumte und die seit Paul Passys Zeiten allgemein angenommene Auffassung der Mundart zur Geltung brachte, die eingangs entwickelt wurde.

  Es bleibt eine Haupteinteilung unserer Mundarten bestehen, die sowohl historisch wie geographisch begründet ist: Ösling und Gutland. Die Sprache des ersteren ist besonders durch die Kölner Velarisierung gekennzeichnet.

  Die wichtigsten Arbeiten über unsere Lokalmundarten haben René Engelmann, Joseph Meyers, Frl. Helene Palgen und R. Bruch zu Verfassern; die vollständigste lexikographische Idiomatik, ein Musterwerk von Lokalwörterbuch und zugleich ein Lebenswerk, ist die «Idiomatik der Echternacher Mundart» von I. Comes. Von zahlreichen kleineren Arbeiten seien erwähnt: Senninger, «Die Winzersprache der luxemburgischen Mosel», Tockert, «Beiträge zur Idiomatik des Öslings», Schmits schon erwähnte Arbeit über die Ausdrücke des Ackerbaus in Martelingen (Ms.).

  Besondere Studien hat J. Tockert dem Jenischen von Weimerskirch und der Studenten-, Pennäler- und Schulsprache gewidmet.

II.Das im Wörterbuch aufgenommene Material.

  Nach den vorhergehenden Ausführungen konnten die von den Gebildeten im täglichen Verkehr benutzten hochdeutschen oder gut französischen Wörter nicht aufgenommen werden, sofern sie nicht von den luxemburgischen Sprachgesetzen berührt sind und die Kennzeichen der Einbürgerung tragen. Fast die ganze Terminologie der Technik und Wissenschaft fällt unter diesen Ausschluß. Hingegen ist zu erwarten, daß das durch den weiteren Aufbau des Wörterbuchs geweckte Interesse aller Volksklassen noch manches wertvolle alte Gut zu Tage fördern wird.

  Übrigens darf nicht vergessen werden, daß kein Wörterbuch vollständig sein kann. Die Sprache ist ein soziologisches Gebilde, und als solches in beständigem Fluß. Täglich zählt sie Verluste und Gewinne, ihr Bestand wechselt von Ort zu Ort, von Sprachgruppe zu Sprachgruppe, ja von Individuum zu Individuum. Eine Sprache und im besondern eine Mundart ganz zu erfassen, ist deshalb unmöglich, bei uns und sonstwo.

  Wir haben als Grundlage für unsere Stichwörter (Lemmata) die Gemeinsprache (Koinè) des 20. Jahrhunderts angenommen. Gemeinsprache ist, nach René Engelmanns Definition (Floréal, I, 159): «Die durch das ganze Land von Beamten gesprochene und die dialektischen Idiotismen vermeidende Sprache.»

  Daneben haben wir den Wortbestand des 19. Jahrhunderts aufgenommen, soweit er schriftlich niedergelegt ist. Die ältere Sprache, soweit sie aus van Wervekes kostbarer Zettelsammlung und aus sonstigen Urkunden erforscht wird, muß einem späteren Bande vorbehalten bleiben.

  Die Mundarten sind, was jegliche Art der Nachforschung angeht, möglichst herangezogen worden. Wir begreifen darin auch die luxemburgisch sprechenden Orte der belgischen Provinz Luxemburg.

  Die Volkskunde wurde nur in ihrem sprachlichen Bestandteil, besonders in Sprüchen und Sprichwörtern, an denen das Land reich ist, herangezogen. Von Personennamen waren es die Vornamen und ihre vielen Varianten, die wir aufnehmen mußten. Die Orte des Großherzogtums und der angegebenen belgischen Landstriche haben wir, neben der mundartlichen Form, auf Hochdeutsch und Französisch wiedergegeben. Flurnamen wurden gelegentlich erwähnt, soweit sie auf Gattungsnamen zurückgehen.

  Über Lehn- und Fremdwörter und ihre Aufnahme im Wörterbuch war oben die Rede.

  Manches ist auf etymologischem Gebiete in den zwei früheren luxemburgischen Wörterbüchern verfehlt. In beiden ist, bei anerkannt wertvoller Sammeltätigkeit, die Linguistik zu kurz gekommen.

  Die Kommission ist der Ansicht, daß auf diesem schwierigen Gebiete eher zu wenig als zu viel geboten werden muß. Der Veröffentlichung jeder Lieferung werden deshalb Studien zur Seite treten, welche in den Vierteljahrsblättern der linguistischen Sektion des Instituts unter dem Namen ihrer Verfasser erscheinen werden. Ein etymologisches Gesamtwörterbuch kann also erst viel später erscheinen. Es wird das Material des hiermit begonnenen Wörterbuches und die dazu gehörigen Studien in geeigneter Weise verwerten.


ZWEITER TEIL


Anweisungen
zum Gebrauch des Wörterbuchs


A.
Rechtschreibung.


I. — Vorbemerkung.

  Hauptaufgabe der Wörterbuchkommission war naturgemäß die möglichst vollständige Sammlung des luxemburgischen Wortschatzes, nicht nur der Gemeinsprache, sondern auch möglichst aller Lokalmundarten. Sie verfolgte also vorderhand ein wissenschaftliches Ziel, trachtete aber nicht minder darnach, dem breiten, an seiner Muttersprache interessierten Publikum ein leicht lesbares und allgemeinverständliches Nachschlagwerk zu bieten. Sie übernahm somit bewußt die heikle Aufgabe, Wissenschaftlichkeit und Volkstümlichkeit miteinander zu vereinbaren.

  Schon die alphabetische Anordnung des Wortschatzes allein stellte die Kommission von Anfang an vor zwei schwierige Probleme, an deren Lösung sie mit äußerster Vorsicht herangehen mußte, wenn sie vermeiden wollte, daß das Publikum ihr Werk von vornherein ablehne. Dabei erweist sich die Beantwortung beider Fragen nur von geringer Bedeutung für den wissenschaftlichen Wert des Vorhabens: in welcher Haupt- oder Untermundart und in welcher Rechtschreibung sollten die Stichwörter und allgemeingültigen Beispielsätze dargeboten werden?

  Es stand für die Kommission außer Zweifel, daß für die Grundformen der einzelnen Wörter und Ausdrücke nicht die besondere Aussprache des Stadtluxemburgers, sondern die der «Koinè» maßgebend sein mußte. Im ersten Teil der Einleitung (Kapitel E/II) wird angedeutet, was der Kommission unter diesem schillernden Begriff vorschwebte. Die praktische Ausführung des Grundsatzes förderte eine Unzahl von Schwierigkeiten zutage.

  Als Beweis genüge ein Beispiel: Unstimmigkeiten tauchten jedesmal auf, wenn es zwischen dem langen geschlossenen «ee» Großluxemburgs und dem ländlichen, halboffenen oder offenen «ä» zu wählen galt. Damit nicht alle Vorarbeiten immer wieder in Frage gestellt seien, wurde von Fall zu Fall das innerhalb der Kommission vorhandene Verhältnis als endgültige Norm gewählt; diese Lösung erschien umso annehmbarer, als im Schoß der Kommission alle Landesteile vertreten waren. So ergab sich die Notwendigkeit, auf den Buchstaben A einen besonderen Buchstaben Ä folgen zu lassen, der alle, mit jenem strittigen «ee/ä»-Laut beginnenden Wörter umfaßt, die einem hochdeutschen «ei» oder a-Umlaut entsprechen.

  Um allen wissenschaftlichen oder lokalpatriotischen Anfechtungen zu begegnen, werden in diesem und in vielen anderen Fällen, ebenso oder fast so häufige Spielformen als «gleichberechtigt» neben das Stichwort gestellt, und häufige Verweise versuchen weitgehend jeder Aussprache Rechnung zu tragen.

  Die Kommission verwandte sechs Monate ihrer Arbeitszeit auf die Festlegung einer Rechtschreibung. Als René Engelmann von der luxemburgischen Regierung mit der Standardisierung der allgemeinen luxemburgischen Rechtschreibung betraut wurde, war der wesentliche Schritt getan, um die Sprache aus der Gesetzlosigkeit und dem bisherigen unwissenschaftlichen Experimentieren zu retten. Ein Fortschritt trat ein durch die Verfügung, daß Engelmanns System in den Schulbüchern von N. Welter zur Anwendung kam, weshalb sie vielfach die Engelmann-Weltersche Rechtschreibung heißt. Aber Engelmann hatte nur die Regeln für die Koinè aufgestellt. Die luxemburgischen Literaten hatten je länger je mehr an manchen Details der herrschenden Schreibweise auszusetzen. Die Vereinfachung machte aber durch sie erfreuliche Fortschritte, und die Orthographie der Lokalmundarten bahnte sich durch dieselben Faktoren ihre Wege. Jüngste Erfahrungen haben zur Genüge bewiesen, wie schwierig es ist, selbst in unserem engen Sprachraum, auf dem Gebiete der Orthographie zwischen Wissenschaftlichkeit und Tradition zu vermitteln. Wenn dieses Wörterbuch lediglich ein linguistischen Zwecken dienendes Forschungsinstrument sein wollte, so wäre die Lösung der Rechtschreibungsfrage ein Leichtes gewesen; so aber verlangte sie langwierige, oft irrwegige und unfruchtbare Erörterungen, ohne daß dadurch die eigentlichen lexikographischen Arbeiten auch nur um einen Schritt weitergekommen wären, und ohne daß die Kommission nach dem endgültigen Abschluß ihrer Beratungen die Hoffnung hegen darf, sich auf ein System geeinigt zu haben, das auch nur einem Teil der sich in dieser Frage schroff widersprechenden Meinungen Genüge leisten könnte. Sie betont im Gegenteil, daß sie eine weitgehende wissenschaftliche (phonetische) Genauigkeit keineswegs mit Hilfe der nachfolgenden Rechtschreibungsnormen zu erreichen hofft, sondern lediglich durch die Lauttabellen der Einleitung, die eingestreuten Beispiele in Lautschrift und die parallel erscheinenden Laut- und Wortkarten.

II. — Prinzipien der Rechtschreibung.
GRUNDSÄTZLICHES.

  Die Rechtschreibung des Wörterbuches erhebt nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Sie dient vorderhand der einheitlichen Schreibung der lx. Koinè, der die überwiegende Mehrzahl der Stichwörter angehören.

  Lokale Spielformen, die nicht in der Koinè gebräuchlich sind, stehen an ihrer alphabetischen Stelle; besondere Lautungen in lokalen Redensarten, Beispielsätzen und Sprichwörtern erfordern nur geringe, der Schreibweise lokaler Gewährsleute entlehnte Abweichungen von der angegebenen Rechtschreibung.

  Es wird in den folgenden Regeln bewußt auf phonetische Logik verzichtet: sie möchten lediglich, mit Rücksicht auf die landläufige Tradition und unter weitgehender Beachtung des dt. resp. frz. Wortbildes, das schnelle Auffinden und bequeme Lesen der Stichwörter und Beispielsätze ermöglichen. Nur zur Bezeichnung lx. Eigenheiten werden etliche wenige Sonderzeichen und Buchstabenverbindungen verwandt.

  Diese volkstümliche Schreibweise erscheint umso begründeter, als die genaue Aussprache in der Koinè sowie in den hauptsächlichsten Lokalmundarten hinter dem Stichwort vermittels der allgemein üblichen, im Lautinventar eingehend erklärten Zeichen der A. P. I. (Association Phonétique Internationale) angedeutet wird.

ALLGEMEINES.

I. — Anfangsbuchstaben.

  Mit großen Anfangsbuchstaben werden geschrieben:

1.das erste Wort eines Satzganzen;

2.alle Dingwörter;

3.Eigenschafts- und Fürwörter sowie die Ordnungszahlen in Titeln und Namen.

  Alle andern Wörter werden mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben.

II. — Apostroph.

  Alle gesprochenen Laute werden grundsätzlich geschrieben. Lediglich in schneller Rede ausfallende Laute und Lautgruppen werden durch einen Apostroph angedeutet.

ët reent — 't reent

hatt sot — 't sot

  Anmerkung: Der regelmäßige Sandhi-Ausfall der auslautenden ekthliptischen (sogenannten Eifel-) n vor folgendem Konsonanten außer vor h und dentalen Verschlußlauten wird demnach nicht vermerkt.

III. — Französisches Lehngut.

  1. Frz. Lehnwörter oder aus dem Frz. entlehnte Wortteile folgen möglichst der frz. Rechtschreibung; sie werden nicht durch eine besondere Schriftart gekennzeichnet.

«le cours» — de Cours

  2. Lx. End- und Flexionssilben werden ohne besonderes Trennungszeichen an den frz. Wortteil angehängt.

«les cours» — d'Couren

«les terrains» — d'Terrainen

  3. Die Nasalierung der Lautgruppe Vokal + m oder n wird, wenn erforderlich, durch ein Zirkumflex über dem m oder n angedeutet.

«le membre» — de Mem̂ber

«les membres» — d'Mem̂beren

VOKALE.

IV. — Quantität.

  Wir unterscheiden zwischen kurzem und langem a, ä, e, i, o, u.

  1. Der Vokal ist kurz vor folgendem Doppelkonsonanten oder vor Konsonantenverbindungen:

aschappeg, krabbelen, Lanter, Park;

äMänner, Pättchen, hänken, Schärp;

eeppes, Bett, frech, Derz;

ëstëppelen, zëssen, Strëmp, Mëscht;

izidderen, kriwwelen, firmen, Misch;

oStonn, Goss, fort, Moschter;

ögedölleg, können, löschteg, rölzen;

édéck, Méchel, néng, wénken;

uKludder, Huwwel, futsch, Wurscht.

  2. Der Vokal ist lang vor folgendem einfachen Konsonanten (als solcher gilt auch z); vor Konsonantenhäufungen wird der lange Vokal doppelt geschrieben:

abal, Kaz, laang, schwaarz;

äHär, fären, Päärd, Ääjhelchen;

eEkel, Bredewee, Fleesch, bleech;

isiwen, Dir, Piisch, Piijhen;

oblosen, Koz, brooch, Bootsch;

uTut, Buz, Duuscht, Wuurm.

  Anmerkung:

a)Für zz steht tz, für kk steht ck.

b)Nach kurzem Vokal werden die weichen Reibelaute s und g (als Gaumen- und Hintergaumenlaut) nicht verdoppelt:

sbëselen, haseleg, Musel, Fisem;

gLigen, Digel, ondugen, verlugen.

  c) h steht als Dehnungszeichen und zur Silbentrennung ausnahmsweise in unverändert aus dem Dt. übernommenen Lehnwörtern:

Ausnahm, dehnen, fehl- (+ Komposita), Hehl, Afahrt, weihen.

  d) Nach kurzem Vokal bleibt der ehemalige Endkonsonant des ungebeugten Stammwortes auch vor folgendem endungsanlautenden Konsonanten verdoppelt:

Vull Villchen;
stellen gestallt;
kill killt Waasser;
hell den hellsten Dag.

  e) Bei einsilbigen Vor-, Für- und Bindewörtern, sowie in den einsilbigen Formen der Zeitwörter hun, sin, gin, gon, ston, don steht auch nach kurzem Vokal einfacher Konsonant:

ën, ës, ët, hat, him, um, am, an, mat

ech sin, gin, stin, din, dun, hun . . .

V. — Die e-Laute.

  1. offener e-Laut:

  a) der  kurze  offene e-Laut wird lediglich als Umlaut von dt. oder lx. a durch ä, sonst immer durch e bezeichnet.

Fra Frächen dt. «fangen» — fänken
Mann Männer dt. «Mathias» — Mätt
falen e fällt sonst: Geck, stemmen, Bett,
Sak Säck   frech, besser, fett

b)der  lange  offene e-Laut (dt. «Bär») wird durch ä/ää bezeichnet.

Här, Kär, Häärz, Päärd, fäärdeg;

  2. der betonte gerundete e-Laut wird lediglich als Umlaut von dt. oder lx. o durch ö, sonst immer durch ë bezeichnet.

kommen e könnt sonst: nëmmen, drëtten, zëssen,
voll völleg   Schëff, gëscht, gëllen (gelten),
Schold schölleg   Bëlz, Brëll, Brëtsch . . .
Loscht löschteg  
rolzen rölzen, rölzeg  
Gold göllen  

  Anmerkung: In unbetonten Flexions- und Ableitungssilben steht grundsätzlich, wie im Dt., einfaches e; ë wird lediglich dort geschrieben, wo es in schwer lesbaren Vokalhäufungen zur Klärung des Wortbildes beiträgt.

gëeelzt, gëiirt, bëierwen, gëéiert;

  3. der geschlossene e-Laut (dt. «quer») wird lediglich vor den velaren Konsonantenverbindungen ck, ng, nk (ab und zu vor ch) zur Vermeidung von Zweideutigkeiten durch é, sonst immer durch e bezeichnet.

strécken, flécken, réckelen, schrécken, fléck (flink), zécken, déck, Réck, néng, zéng, Réng, flénk, Méchel, Séchel

aber: Ekel, ech, dech, sech.

  Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit und zur Vermeidung von Verwechslungen kann das lange geschlossene (vorwiegend städtische) e auch vor einfacher Konsonanz (nach dem Vorgang von dt. Schnee, Meer, scheel . . .) doppelt geschrieben werden:

Steen, Been, neen, keen, See (Säge), deen (dieser) zur Unterscheidung von «den» (unbetonter Artikel).

(Die ländl. Maa. sowie die älteren Generationen ziehen diesem spitzen e/ee ein breiteres ä vor. Im lux. Wb. folgt daher auf den Buchstaben A der Buchstabe Ä, unter dem Wörter wie «än, een — Äfalt, Efalt usw.» aufzusuchen sind.)

DIPHTHONGE.

VI. — Wir schreiben, ohne zwischen Länge und Kürze zu unterscheiden:

    ue Fuesend, fuerderen, Ues, lues, Kueder, Flued;     ie iessen, Kniecht, stiechen, Fieder, Liewer;     éi wéi, schwéier, Schnéi, genéissen, Knéi;     ou Kou, grouss, wouer, Patroun, dout, Doud;     au — umgelautet ai  Maus — Mais                          Laus — Lais                          Mauer — Maierchen;     ei Weis, Schwéngerei, nei, Leit, Scheier;     äi Wäin, Schwäin, Täissel, wäiss.

  Anmerkung: Wörter wie Äifer, Äis usw. sind also unter Ä aufzusuchen.

KONSONANTEN.

VII. — Quantität.

  Laut Regel IV/1. bezeichnet die Verdoppelung der Konsonanten lediglich die Kürze des vorhergehenden Vokals. Die gedehnten Konsonanten (sogenannte «Schwebelaute») werden nicht besonders bezeichnet.

Hand, Land, Kand, Mann, Stall, hell, Damp, dämpen, Schwanz, Franz.

VIII. — Verschluß- und Reibelaute im An- und Inlaut.

  Die Lippenlaute b, p, w, f, v — die Zahnlaute d, t, z (verdoppelt tz), weiches s, scharfes ss, der scharfe Zischlaut sch — die Gaumenlaute j, g, ch — die Hintergaumenlaute k (verdoppelt ck), qu, g, ch werden dem dt. Schriftgebrauch entsprechend verwandt.

verléieren — fer (Kurzform zu «für»)

vir («vor») — fir (Vollform zu «für»)

vill («viel») — fillen («fühlen»)

rosen, blosen, räsen/reesen,

rëselen, bëselen, haseleg, Musel

wäiss, räissen, Waasser, Spaass, Fuuss

Schëpp, fëschen, Dréischlek

jo, Joer, Jäer, Jupp, Judd, juppelen, jäizen

Spigel, Digel, Juegd, Gaalgen

Spichten, diichten, Fliichten, riicht, rechts, Kichelchen

kal, baken, Bäckelchen

gin, schuggeleg, suggelen

ondugen, Kugel, Dugend, verlugen

puchen, kachen, gekachte Kéis.

  Anmerkungen:

a)Alle bestimmten Artikel werden d' geschrieben:

d'Mamm, d'Kand, d'Elteren;

b)die lat. Ableitungssilbe -tio (dt./frz. -tion) wird lx. -tioun geschrieben: Natioun, Inflatioun;

  c) «schp» und «scht» werden im Anlaut sp- und st-, im In- und Auslaut hingegen schp und scht geschrieben:

Stän/Steen, Spaass

Bascht, baschten, Kiischpelt

(also auch: Häsprénger);

  d) jh bezeichnet den im Dt. nicht vorhandenen weichen (stimmhaften) Zischlaut:

Piisch Piijhen
Giisch Giijhen
Aasch Ääjhelchen;

(unverändert aus dem Frz. übernommene Wörter behalten gemäß Regel III/1. die ursprüngliche Rechtschreibung);

  e) In allen lx. Wörtern, denen kein gleichlautendes im Dt. entspricht, wird der inlautende weiche Gaumenreibelaut durch j bezeichnet:

Kanaaljen, Trueljen, Familjen.

IX. — Verschluß- und Reibelaute (oder -lautgruppen) im Auslaut.

  1. Wenn einem lx. Verschlußlaut im entsprechenden dt. Wort ein Verschlußlaut, bzw. einem lx. Reibelaut im entsprechenden dt. Wort ein Reibelaut gegenübersteht, so dient die dt. Schreibung als Vorbild:

Rad «Rad» aber: Rat «Ratte»
Pad «Pfad»   Patt «Pfote»
Bud «Bude»   gutt «gut»
Lidd «Lied»   Gemitt «Gemüt»
Ridd «Rüde»   Rutt «Rute»
Ribb «Rübe»   Kopp «Kuppe»
bëlleg «billig»   renglech «reinlich»

  2. In allen übrigen Fällen werden scharfe (stimmlose) auslautende Verschluß- und Reibelaute (oder -lautgruppen) geschrieben:

af/of «ab» Kramp — «Krampf»
op «auf» Knapp — «Knopf»
Gof «Gabe» Strëmp — «Strumpf»
Bouf «Bube» » Schnapp — «Schnupfen»
hallef «halb» desgl.: Stupp, Stopp, Knupp
Kuerf «Korb»   Napp (Graul), Naup (Laune)
Stuff «Stube»   Schaf (Schrank), Roff (Schorf)
Siff «Sieb»   usw.

ähnlich: ë schreift, du kliefs, dir stierft, Léift («Liebe»).

  Anmerkung: Im betonten Auslaut steht -ch immer nach kurzem Vokal statt dt. g (als Gaumen- oder Hintergaumenlaut):

genuch, Zuch, Zich, Krich, Träch (Tröge), ewech (weg).

X. — Die übrigen Konsonanten und Konsonantenverbindungen.

  Die Liquiden 1 und r — die Nasenlaute m, n, ng, nk — der im Anlaut hörbare Hauchlaut stehen wie im Dt.

  Anmerkung:

  a) zum Gebrauch von h, s. Regel IV/Anm. c;

  b) die Lautverbindung k + s wird im allgemeinen durch x bezeichnet. Dem dt. Vorbild oder der Abstammung eines Wortes gemäß steht zuweilen -chsoder -cks-:

x Hex, faxen, lax, Felix, Box   
chs Fochs, Ochs, Dachs, sechs   
cks dack dacks
  lecken Gelecks
  vrecken zu vrecks
  tucken eng Tucks
  baken Gebäcks.

  c) Alle außerhalb der zehn Regeln liegenden Besonderheiten werden von Fall zu Fall entschieden.


B.
Lautinventar.


Allgemeines.

  (1) Alle im Wörterbuch verwandten Lautzeichen entsprechen dem System der A. P. I. (Association Phonétique Internationale).

  (2) Das vorliegende Werk ist vorderhand eine Sammlung des lx. Vokabulars. Es verzichtet somit bewußt auf die Feinheiten eines phonetischen Atlasses. Für die Wiedergabe des lx. Vokalismus genügen 10 Zeichen, während der Konsonantismus mit Hilfe von 20 Zeichen angedeutet wird. Zu dieser Zahl treten zwei Zeichen für die Semivokale. Alle übrigen Besonderheiten werden, falls erforderlich, durch diakritische Zeichen vermittelt, die ihrerseits weitgehend dem System der A. P. I entsprechen.

  (3) Übersicht über die verwandten diakritischen Zeichen.

Quantität:a) Vokalismus.

Der kurze Vokal wird einmal geschrieben. Der halblange Vokal ist gefolgt von einem Punkt über der Zeile (a·). Der lange Vokal wird durch nachgestellten Doppelpunkt (a:) bezeichnet. Überlange Vokale werden zweimal geschrieben (aa).

b) Konsonantismus.

Der kurze Konsonant wird einmal geschrieben (n). Der lange Konsonant wird durch nachgestellten Doppelpunkt bezeichnet (n:). Der sogenannte «Schwebelaut» (eigtl. Doppelkonsonant) wird durch Doppelschreibung angedeutet (nn); cf. hierzu Passy («Petite Phonétique Comparée» 1922, S. 54): «. . . mais il faut se rappeler qu'il n'y a pas en réalité deux consonnes. On peut considérer la première lettre comme marquant l'arrivée, la deuxième la détente.»

c) Schärfung.

Die rheinische Akzentuierung, auch «Schärfung» genannt, hat einen gewissen Einfluß auf den Organismus der lx. Maa. ausgeübt. In verschiedenen Lokalmaa. des Ostens (bes. in Vianden u. Echternach) ist es noch klar erkennbar. Cf. hierzu Palgen («Kurze Lautlehre der Ma. von Echternach, 1931, S. 8): «Die Schärfung besteht darin, daß der betr. Laut von dem Moment seines Eintretens an mit vollem energischen Exspirationsdruck gebildet, bei starkem Vibrieren der Stimmbänder, plötzlich in jähem Fall den Exspirationsdruck verliert: die Stimmbänderschwingungen hören mit einem plötzlichen Ruck auf, und der folgende Laut erfolgt rein als Artikulation der Mundorgane, ohne daß Exspiration und Stimmbänderschwingungen Zeit hätten, wieder einzutreten.»

Die Schärfung wird angedeutet durch ein zwischen Vokal und Konsonant der geschärften Lautgruppe gestelltes Komma (blai,l).

Qualität:a) Vokalismus.

Besonders schwach an- oder abklingende Elemente der Zwielaute werden höher geschrieben (ua:).

Ein Punkt unter e, > und o (ẹ >̣ ọ) zeigt an, daß der Vokal geschlossener als üblich gesprochen wird.

Unter ə zeigt der Punkt dessen anormale Rundung an (ə̣). Das Sternchen hinter ɔ (ɔ*) zeigt dessen dem Dialekt des Arloner Raums anhaftende besondere Trübung an. Vgl. hierzu Bertrang (Grammatik der Areler Ma., 1921, p. 35): «Die Klangfarbe des Lautes liegt zwischen der von ɑ und ɔ, mit ziemlicher Neigung zum gemischten Klangeffekt. Der Laut ist lang und weit.»

Eine über den Vokal gestellte Tilde bezeichnet dessen Nasalierung (õ, ẽ, ã).

b) Konsonantismus.

Ein Punkt unter einem Konsonanten bezeichnet dessen Stimmlosigkeit (ʃḍ).

Das Sternchen hinter den palatalo-alveolaren und palatalen Reibelauten zeigt deren zwischen Ettelbrück - Vianden - Echternach und besonders im Südwesten um sich greifende Trübung und Vermengung in einem Zwischenlaut an (j* = Ʒ** = ç*).

Im Osten (besonders in und um Echternach) wird das -r der Lautgruppe -ər- vor Konsonant oder im Auslaut vokalisiert. Diese Erscheinung wird durch ə· bezeichnet, obwohl der Laut sich (besonders im Munde der jüngeren Generationen) einem ɑ nähert.

Hauptton:

Die Haupttonsilbe wird durch einen ihr vorgestellten Apostroph (ku'ra:ʃ) bezeichnet.


In den folgenden Tabellen wird der Gebrauch der 32 in vorliegendem Werk (insbesondere den lautgeographischen Tabellen) angewandten Lautzeichen erläutert, und der im lx. Text befolgten Rechtschreibung der Umgangssprache gegenübergestellt. Die Zahlen unter der Rubrik «Rechtschreibung» verweisen auf die «lautgeographischen Tabellen».

1.Die Vokale.


    Rechtschreibung
Palatal- oder Vordervokale geschlossen i immer i (ii) geschrieben
  halbgeschlossen e 1. vor den velaren Konsonantenverbindungen
    ck, ng, nk zur Vermeidung von Zweideutig
    keiten durch é bezeichnet;
    2. sonst überall e (ee) geschrieben
    Anm.:
    zur besseren Lesbarkeit und zur Vermeidung
    von Verwechslungen wird das lange oder
    halblange geschlossene e häufig (auch vor
    einfacher Konsonanz) doppelt geschrieben.
  halboffen > 1. kurz:
  (die aus Quanti-   a) als offenbarer Umlaut von lx. und dt.
  tät oder Mund-   a durchgehend ä geschrieben;
  stellung sich er-   b) sonst überall wie im Dt. durch e bezeich
  gebenden Klang-   net;
  farbenunter-   2. lang:
  schiede werden   immer ä (ää) geschrieben.
  in der phon. Wie-   
  dergabe nicht be-   
  achtet)   
  offen a immer a (aa) geschrieben
Velar- oder Hintervokale geschlossen u immer u (uu) geschrieben
  halbgeschlossen o ^#(GZG) immer o (oo) geschrieben
  halboffen ɔ ^#(GZG)
  offen ɑ immer a (aa) geschrieben
Anormale Vokale medial ə 1. Haupttonsilben:
    a) als offenbarer Umlaut von lx. und dt.
    o durchgehend ö geschrieben;
    b) sonst überall ë geschrieben.
    2. Flexions- und Ableitungssilben:
    a) zur Klärung schwer lesbarer Vokalhäu
    fungen vereinzelt ë geschrieben;
    b) sonst überall e geschrieben.
  getrübter halbof- ɔ* entspricht dem Umgangs-au in der Lokalma.
  fener Velarlaut   des Arloner Westens; vgl.: X/74, 78, 79, 81
  anormaler Pala- y immer ü geschrieben
  tallaut   

2.Die Diphthonge.


 

I. — Die sogenannten „gebrochenen“ Vokale.

   
   (entsprechen schriftdeutschen Vokalen)   
Gebrochenes i und u     Rechtschreibung
  Anlaut Nachschlag   
KOINÈ geschlossener medialer Ab- immer ie geschrieben
  Palatallaut klang   
  geschlossener id. immer ue geschrieben
  Velarlaut    
GUTLAND enger halbge-    
  schlossener id. ẹ:ə entspricht dem Umgangs-ie;
  Palatallaut    vgl.: V/17, 18, 24, 41
  gerundeter id. ẹ:e entspricht dem Umgangs-ue;
  Mediallaut    vgl.: V, VII/35—37
ÖSLING palataler Halb- halboffener   ^#(GZG)
  vokal Palatallaut j> ^#(GZG) entsprechen im Ösling dem Um
  id. Mediallaut ^#(GZG) gangs-ie; vgl.: I. II, III/17, 27, 41
  bilabialer halboffener   ^#(GZG)
  Halbvokal Palatallaut w> ^#(GZG)
  id. halboffener ^#(GZG)
   Velarlaut   ^#(GZG) entsprechen im Ösling dem Um
  id. offener Velar- ^#(GZG) gangs-ue; vgl.: I, II, III/35—38
   laut   ^#(GZG)
  id. Mediallaut ^#(GZG)

Gebrochenes e und o     Rechtschreibung
  Anlaut Nachschlag   
KOINÈ halbge-    
  schlossener geschlossener ei immer éi geschrieben
  Palatallaut Palatallaut   
  halbge-    
  schlossener geschlossener ou immer ou geschrieben
  Velarlaut Velarlaut   
LOKAL halbge-    ^#(GZG)
  schlossener geschlossener oi ^#(GZG) entsprechen spor. im Kanton Capel
  Velarlaut Palatallaut   ^#(GZG) len dem Umgangs-éi;
  Mediallaut id. əi ^#(GZG) vgl.: IX/61, 69, 99
  id. geschlossener əu entspricht lschftl. häufig dem Um
   Velarlaut   gangs-ou; vgl.: IV, V, VIII, XX/69...

Lokale Trübungen     Rechtschreibung
  Anlaut Nachschlag   
LOKAL     entspricht häufig, vor allem südl.
  halboffener offener ɔɑ Mersch dem Umgangs-aa;
  Velarlaut Velarlaut   vgl.: XI, XII, XIII . . ./2, 38 . . .
  halbge-    
  schlossener medialer Ab- e:ə entspricht zerdehntem Umgangs-ee;
  Palatallaut klang   vgl.: V/25, 58, 82, 83, 90, 106
  halboffener id. >:ə entspricht zerdehntem Umgangs-ää;
  Palatallaut    vgl.: VII, IX/ 82

 

II. — Die eigentlichen Diphthonge.

   
   (entsprechen schriftdeutschen Diphthongen)   
«au»-Laute     Rechtschreibung
  Anlaut Nachschlag   
KOINÈ offener geschlossener au immer au geschrieben
  Palatallaut Velarlaut   
  offener Velar- id. ɑu immer au geschrieben
  laut    
LOKAL halboffener id. >u entspricht häufig dem Umgangs-au;
  Palatallaut    vgl.: VII, VIII, IX/78—81
     entspricht, bes. längs der Ostgrenze,
  halboffener id. ɔu dem Umgangs-au;
  Velarlaut    vgl.: VI, XII/78—81

«ei»-Laute     Rechtschreibung
  Anlaut Nachschlag   
KOINÈ offener geschlossener ai 1. als Umlaut von lx. oder dt. au
  Palatallaut Palatallaut   durchgehend durch ai bezeichnet;
  offener id. ɑi 2. sonst immer mit ei wiedergege
  Velarlaut    ben
LOKAL halboffener geschlossener >i immer äi geschrieben
  Palatallaut Palatallaut   
   halbge-   entspricht spor. im Westen dem
  id. schlossener >:ẹ Umgangs-äi;
   Palatallaut   vgl.: V/66, 67, 68 und IX/ 68

3.Die Konsonanten


  

I. — Plosivlaute.

   
  Phonetik    Rechtschreibung  
    Anlaut Inlaut Auslaut
Bilabiale      dem Schriftdt.
  gespannt p p p (pp) entspr. p (pp)
      oder b (bb)
      sonst
  ungespannt b b b (bb) immer p (pp)
Dentale gespannt t t alle best. t (tt) dem Schriftdt.
    Artikel dem   entspr. d (dd)
    Schriftdt.   oder t (tt)
  ungespannt d d entspr. d' d (dd) sonst
      immer t (tt)
Velare      dem Schriftdt.
  gespannt k k k (ck) entspr. g (gg)
      oder k (ck)
      sonst
  ungespannt g g g (gg) immer k (ck)

   

II. — Frikativlaute.

  
     Rechtschreibung  
  Phonetik   Anlaut Inlaut Auslaut
Labio-dentale    dem Schriftdt.   dem Schriftdt.
    entsprechend f   entspr. f (ff), w
  gespannt f oder v f (ff) oder v
    sonst immer f   sonst
      immer f (ff)
    w   
  ungespannt v in fr. Lehngut w (ww)  
    zuweilen v   
Palatal-alveolare    sch sch sch
  gespannt ʃ st scht scht
    sp schp
  ungespannt Ʒ jh jh
Palatale gespannt ç ch 1. nach kurzem
      Vok. immer ch
     1. dem Schrift- 2. sonst dem
     dt. entspre- Schriftdt. ent
  ungespannt j j chend g1) sprechend ch
     2. sonst im- oder g
     mer j  
Velare gespannt x ch id.
  ungespannt γ g1)  
1) Intervokalisches -g- nach kurzem Vokal nie verdoppelt      

 

III. — Nasale und Liquiden.

     
  Bilabial Dental Lingual   Velar Uvular
    Lateral Apikal   
Phonetik m n l r1) < R1)
Rechtschr. m (mm) n (nn) l (ll) r (rr) ng, nk r (rr)
1) In der Lautschrift wird der Einfachheit halber fast ausschließlich das       
Zeichen r verwandt       

IV. — Semivokale.

  
  Bilabial Palatal
Phonetik w j
Rechtschreibung immer u i oder j
  (Bsp.: qu) (Bsp.: -tioun)

V. — Konsonantenverbindungen.

 
Phonetik Rechtschreibung
ts z (tz)
kw qu
ks 1. dem Schriftdt. entspr. chs
  2. gemäß Wortbildung cks (ks)
  3. sonst immer x

C.
Lautgeographische Tabellen.


[Die Lauttabellen wurden aus Darstellungsgründen in eine separate Datei ausgelagert.]

  Die folgenden Tabellen dienen der Gegenüberstellung der Lokalvarianten von 112 Stichwörtern, so wie sie am 8., 9. und 10. Juni 1949 in 22, über das ganze Land verteilten Ortschaften an Ort und Stelle von einheimischen Zeugen vorgesprochen worden sind.

  Die Stichwörter sind so gewählt, daß sie einen gedrängten Querschnitt durch den gesamten Vokalismus und Konsonantismus der 22 in Frage kommenden Lokalmundarten bieten. Im Text des Wörterbuchs wird weitgehend auf diese Tabellen verwiesen, wobei die lateinischen Zahlen (wie übrigens auch auf der beigefügten Karte des luxemburgischen Sprachraums) die Bezeugungsorte und die arabischen die Stichwörter bezeichnen.

D.
Aufbau der einzelnen Artikel.

  Der Titelkopf ist in «fetter Antiqua», der gesamte luxemburgische Text, also Varianten der Umgangssprache, vereinzelte lokale Spielformen, idiomatische und sprichwörtliche Wendungen, Beispielsätze und Zitate, ist in «gewöhnlicher Antiqua» gedruckt. Für den deutschen und gelegentlich anderssprachigen Text wird ausnahmslos «Kursivschrift» verwandt. Wenn der Titelkopf vor Zusammensetzungen sowohl den kleinen als den großen Anfangsbuchstaben hat, so gilt der große Anfangsbuchstabe selbstverständlich nur für die im Artikel vorkommenden Dingwörter.

  Die Wortgattung wird sowohl beim Simplex als beim Kompositum hinter dem Titelkopf angegeben. In Klammern steht die Ortsangabe bei solchen Vokabeln, die nicht für das gesamte Sprachgebiet Geltung haben. Die Haupttonsilbe wird, wenn nötig, besonders hervorgehoben.

  Die lokalen phonetischen Varianten (phV.) werden nur hinter dem Simplex vermerkt. Dies geschieht auf drei Arten:

a)bei Wörtern, die in den Lauttabellen der Einleitung angeführt werden, wird auf die betr. Wortnummer verwiesen (s. Ltb.); b)dasselbe geschieht bei solchen Wörtern, die zwar nicht in den Tabellen der Einleitung vorhanden sind, aber für den Haupttonvokal oder den Konsonantismus, abgesehen von den Ortsangaben, ähnliche phonetische Varianten aufweisen, wie ein bestimmtes Stichwort der Lauttabellen (cf. Ltb.); c)für außerhalb der in den Tabellen angeführten Grundfälle liegende Varianten werden die internationalen Lautzeichen der Association Phonétique Internationale (A. P. L.) verwandt (gemäß Lautinventar).

  Bei den Kompositen werden die Varianten nur angegeben, wenn sie von denjenigen des entsprechenden Simplex verschieden sind.

  Die Bedeutungen werden in längeren Artikeln, hauptsächlich mit Hilfe der deutschen Übersetzung zwischen Gänsefüßchen, hintereinander, angegeben. Erklärende Zusätze stehen in Klammern. Darnach folgen in den längeren Artikeln sprichwörtliche (Spw.:) und idiomatische (Id.:) Wendungen und Metaphern (Met.:), wenn möglich dem Hauptwort oder dem Sinn nach alphabetisch geordnet. In kürzeren Artikeln folgen die Redensarten gleich hinter der Angabe der verschiedenen Bedeutungen. Bei Wörtern, deren Bedeutungen und Gebrauchsmöglichkeiten gegenüber dem Deutschen keine Besonderheiten aufweisen, die mit der deutschen Übersetzung gleichlauten und nur der Vollständigkeit halber angeführt werden, sowie bei Lehnübersetzungen wird die deutsche Übersetzung häufig nicht angegeben: es genügt meist ein angefügtes Objekt oder ein Beispielsatz, um eine eigentümliche Gebrauchsweise klarzulegen.

  Die Komposita stehen an ihrer alphabetischen Stelle hinter einem gemeinsamen Titelkopf. Nur diejenigen werden eingehend behandelt, deren Bedeutung oder eigentümlicher Gebrauch aus einem Vergleich mit dem betr. Simplex nicht hervorgeht. Dies geschieht namentlich bei mit Praefixen gebildeten Verben, von denen ein Simplex im Luxemburgischen nicht besteht.

  Bei den Ortsnamen folgt hinter der Übersetzung die Angabe des Kantons und der Gemeinde sowie die Zahl, unter welcher der betr. Ort auf der Arbeitskarte der sprachwissenschaftlichen Sektion des großherzoglichen Instituts vermerkt ist.

  Die wichtigsten Varianten der Vornamen stehen an ihrer alphabetischen Stelle. Alle Spielformen werden noch einmal wiederholt hinter der Grundform des betr. Namens.


E.
Verzeichnis der Abkürzungen.

A

Abkz. Abkürzung
Abl. Ableitung
Abstr. Abstraktum
Adj. Adjektiv
Adv. Adverb
afries. altfriesisch
afrz. altfranzösisch
agfr. anglofriesisch
agr. agronomisch
ags. angelsächsisch
ahd. althochdeutsch
akad. akademisch
alem. alemannisch
amerik. amerikanisch
anat. anatomisch
anord. altnordisch
Anm. Anmerkung
API Association phonétique
   internationale
arch. architektonisch
Art. Artikel
asächs. altsächsisch
astr. astronomisch

B

bair. bairisch
Bed. Bedeutung
belg. belgisch
Belg. Belgien
belg. Lx. belgische Provinz
   Luxemburg
bes. besonders
best. bestimmt
bisw. bisweilen
bot. botanisch
Bsp. Beispiel

C

cf. vergleiche
   (zwecks Ergänzung)

D

d. f. das folgende
d. ff. die folgenden
dial. dialektisch
Dim. Diminutivum
dt. deutsch
d. vor. das vorige

E

Echt. Echternach
eifl. eiflerisch
eigtl. eigentlich
engl. englisch
euph. euphemistisch
europ. europäisch
ev. eventuell

F

F. Femininum
f. folgend
ff. folgende
fläm. flämisch
folkl. folkloristisch
fränk. fränkisch
Frdw. Fremdwort
fries. friesisch
frz. französisch

G

gebr. gebraucht
gen. genannt
germ. germanisch
ges. gesamt
Ggs. Gegensatz
gleichbed. gleichbedeutend
Grd. Grund
Grdbed. Grundbedeutung
Grdf. Grundform
griech. griechisch
got. gotisch

H

hd. hochdeutsch
hdw. handwerklich
holl. holländisch
Holl. Holland
Hpt. Haupt
hydr. hydrographisch

I

ibid. ibidem
id. idem
idg. indogermanisch
indekl. indeklinabel
Interj. Interjektion
intr. intransitiv
iron. ironisch
isl. isländisch
ital. italienisch

J

jem. jemand
jüd. jüdisch
jur. juristisch

K

kelt. keltisch
Kindspr. Kindersprache
klass. klassisch
Kollekt. Kollektivum
Kompar. Komparativ
Konjkt. Konjunktion
Konjug. Konjugation
kontr. kontrahiert

L

lat. lateinisch
Lehnübs. Lehnübersetzung
lok. lokal
Ltb. Lauttabellen
lx. luxemburgisch

M

M. Maskulinum
Ma. (Maa.) Mundart(en)
ma. mundartlich
mater. materiell
md. mitteldeutsch
med. medizinisch
mengl. mittelenglisch
metaph. metaphorisch
mhd. mittelhochdeutsch
milit. militärisch
mlat. mittellateinisch
mnd. mittelniederdeutsch
mnl. mittelniederländisch
mor. moralisch
Mos. Mosel
mosfränk. moselfränkisch

N

N. Neutrum
nb. neben
Nb. Neben
nd. niederdeutsch
nfränk. niederfränkisch
nfrz. neufranzösisch
nhd. neuhochdeutsch
nl. niederländisch
nnd. neuniederdeutsch
nnl. neuniederländisch
nnord. neunordisch
nord. nordisch
Num. Numerale

O

obd. oberdeutsch
Obersau. Obersauer
od. oder
Oesl. Oesling
On. (Onn.) Ortsname(n)
Ord. Ordinale
ostgerm. ostgermanisch

P

Part. Partizipium
Perf. Perfekt
Pers. Person
pers. persönlich
phV phonetische Varianten
Pl. Pluralis
Plur. tant. Plurale tantum
Pos. Positiv
Präf. Präfix
Präp. Präposition
Präs. Präsens
Prät. Präteritum
Pron. Pronomen

R

Ra. (Raa.) Redensart(en)
Redupl. Reduplikation
refl. reflexiv
roman. romanisch

S

S. (SS.) Seite(n)
s. siehe
   (zwecks Erklärung)
sächs. sächsisch
schw. schwach flektierend
schwäb. schwäbisch
s. d. siehe dies
Simpl. Simplex
Sg. Singularis
spor. sporadisch
Spr. Sprache
Spw. (Spww.) Sprichwort (-wörter)
Subst. Substantivum
Suff. Suffix
Superl. Superlativ
Synon. Synonym(a)

T

techn. technisch
Ton: 1, 2, 3... Hauptton auf der
   1., 2., 3. ... Silbe
tour. touristisch
trans. transitiv

U

u. und
übtr. übertragen
Unt. Unter
Untsau. Untersauer
urgerm. urgermanisch
uridg. urindogermanisch
urkundl. urkundlich belegt
usw. und so weiter

V

v. von
Verb. Verbum (trans. u. intr.)
Verbadj. Verbaladjektiv
Verbalwz. Verbalwurzel
Verkl. Verkleinerung
veter. tierheilkundlich
vlat. vulgärlateinisch
vorahd. voralthochdeutsch
vorgerm. vorgermanisch
vorhd. vorhochdeutsch
vulg. vulgär

W

wall. wallonisch
Wb. Wörterbuch
Wendg. Wendung
Wz. Wurzel

Z

z. B. zum Beispiel
zusges. zusammengesetzt
zool. zoologisch
Zt. Zeit
Ztw. Zeitwort
Zus. Zusatz
Zussetz. Zusammensetzung
            † hinter einem Wort zeigt an, daß es veraltet ist.
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Autoren und Werke.

  Erst nach Abschluß des gesamten Werkes wird es möglich sein, eine vollständige Liste aller zu Rate gezogenen Veröffentlichungen aufzustellen.

  Im Text der vorliegenden und aller folgenden Lieferungen wird auf die einschlägigen Werke nur verwiesen, wenn:

1.eine Wendung nur einmal, und zwar bei dem angegebenen Autor, belegt ist, 2.der Gebrauch oder die Herkunft eines Wortes mit Hilfe eines Zitates aus linguistischen oder schöngeistigen Werken erläutert werden kann.

  Damit das Wörterbuch möglichst weiten Kreisen zugänglich und verständliche bleibe, werden Abkürzungen nur für besonders häufig zitierte Autoren verwandt.

  Die folgende Liste ist notgedrungen unvollständig. Sie wird nötigenfalls von Lieferung zu Lieferung ergänzt. Die vollständige Rubrik wird erst mit dem Nachtrag veröffentlicht.

  C

Isidor Comes: Idiomatik der Echternacher Mundart (veröffentlicht in den «Vierteljahrsblättern für Luxemburgische Sprachforschung, Volks- und Ortsnamenkunde» von Heft 2, 1935 an).

  D

Dicks (wenn nötig, wird die zitierte Stelle näher präzisiert).

  Du

André Duchscher (wenn nötig, näher präzisiert).

  Ga

J. F. Gangler: Lexicon der Luxemburger Umgangssprache (Luxemburg, 1847).

  Gœ

Willy Gœrgen (wenn nötig, näher präzisiert).

  Grimm

Jakob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch (Leipzig, 1854, ff.).

  Haust

Jean Haust: Le Dialecte wallon de Liège (Dictionnaire des Rimes, 1927) — (Dictionnaire Liégeois, 1933) — (Dictionnaire Français-Liégeois, 1948), Liège.

  Hémecht

Ons Hémecht (Organ des Vereins für Luxemburger Geschichte, Literatur und Kunst).

  HVk.

Joseph Hess: Luxemburger Volkskunde (Grevenmacher, 1929).

  Kluge

Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearbeitet von Alfred Gœtze (11. Aufl., Berlin und Leipzig, 1934).

  PE

Hermann Paul: Deutsches Wörterbuch, bearbeitet von Karl Euling (4. Aufl., Halle, 1935).

  R

Renert (mit Angabe des Gesangs und des Verses).

  Rh. Wb.

Josef Müller: Rheinisches Wörterbuch (Bonn und Berlin, 1928, ff.).

  Rod.

Michel Rodange (wenn nötig, näher präzisiert — Léiw. = Dem Léiweckerche säi Lidd).

  Sanders

Daniel Sanders: Wörterbuch der deutschen Sprache (Leipzig, 1860—76).

  Vjbl.

Vierteljahrsblätter für Luxemburgische Sprachforschung, Volks- und Ortsnamenkunde (Luxemburg, 1935, ff.).

  Wa

Nikolaus Warker (wenn nötig, näher präzisiert — W = «Wintergrün», Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg, Arlon, 1890).

  Wb. 06

Wörterbuch der Luxemburger Mundart (Luxemburg, 1906).

  Zéliqzon

Léon Zéliqzon: Dictionnaire des Patois Romans de la Moselle (Strasbourg, 1924).

  Zur Einleitung haben beigetragen:

Herr Prof. Tockert † (Anordnung des Ganzen, Geschichte der luxemburgischen Philologie und Lexikographie), Herr Prof. Hess (Sprachgrenzen), Herr Prof. Meyers (Sprachgeschichte), Herr Prof. Ludovicy (Stellung der Luxemburgischen zum Hochdeutschen und Französischen), Prof. Frl. H. Palgen und Herr Prof. Robert Bruch (phonetische Aufnahmen), Herr Prof. Robert Bruch (Lautinventar, Text des zweiten Teils).

Fußnoten


1) Ausführlicheres über das spezielle Gebiet der luxemburgischen Lexikographie sehe man in Tockerts Artikel «Zum Geleit» im Jahrbuch 1925 der Luxemburgischen Sprachgesellschaft, S. 30 ff.


Durchgängig hat sich diese kurze Übersicht, die erste ihrer Art, auf Bücher beschränkt. Nur hie und da werden Zeitschriftenartikel von besonderer Geltung erwähnt.

2) Noch Jakob Grimm sah den Dialekt als eine «verderbte Sprache» an. (Deutsche Grammatik, Erster Teil, 2. Ausg., Göttingen, 1822, S. XII ff.) — Erst Schmellers epochemachenden Arbeiten über die Mundarten Bayerns (Grammatik, 1821, Bayrisches Wörterbuch mit urkundlichen Belegen, 1827 ff.) begründeten das Studium der Mundarten. «Über Schmeller ist das 19. Jahrhundert im Grunde nicht hinausgekommen». (A. Bach, Deutsche Mundartforschung, Winter, Heidelberg, 1934.)


3) Über van Wervekes andere Beiträge zur luxemburgischen Philologie s. Jahrbuch 1925 der luxemburgischen Sprachgesellschaft, S. 110—112. (Joseph Tockert, «Nik. van Werveke».)


4) A. Wiltheim, S. J. «Luciliburgensia sive Luxemburgum Romanum». Erst 1842 von A. Neyen veröffentlicht. (J. P. Küborn, Luxemburg.)


5) In Blums Bibliographie nehmen seine Publikationen 34 Nummern ein.


6) S. Cahiers Luxembourgeois 1948, Nr. 4: Jos. Tockert, «J. N. Mœs, Volkskundler und Journalist» (S. 296—302).


7) S. weiteres über den Gegenstand in Jahrbuch 1925 der Luxemburgischen Sprachgesellschaft (Joseph Tockert, Ein Wort zum Geleit).


8) Bibliographie seiner Werke s. Cahiers Lux. 1924-25, Bd. II (Ed. Oster). Über van Wervekes Tätigkeit auf sprachlichem Gebiete s. Jahrbuch 1925-26 der Lux. Sprachgesellschaft, S. 111 (J. Tockert).


9) Publikationen seit 1925: Jahrbücher 1925—1933, 1947. — Vierteljahrsblätter seit 1935 (26 Nummern). — «Beiträge»: Batty Weber, De' gud al Zeit (Moseler Volkskunde aus seiner Jugendzeit), Linden, Luxemburg, 1925. — R. Huss, Luxemburg und Siebenbürgen, W. Krafft, Hermannstadt (Siebenbürgen), 1926. — R. Huss, Studien zum luxemburgischen Sprachatlas, Linden, 1927. — Prof. Jos. Meyers, Studien zur Siedlungsgeschichte Luxemburgs, Doktordiss., Walter de Gruyter, Berlin und Leipzig o. D. — Prof. Frl. H. Palgen, Studien zur Lautgeographie Luxemburgs (die luxemburgisch sprechenden Teile Belgiens einbegriffen), Linden, 1948.


10) «Vergleichung unseres Dialektes mit denen des siebenbürgisch-sächsischen Sprachstammes» («Das Vaterland», 1869).


11) «Luxemburger Wort», 1906.


12) «Bistritzer Zeitung», 8. Oktober 1902.


13, 14) Erster Kongreß der internationalen Gesellschaft für experimentelle Phonetik, Bonn.

 Bibliographien. 


Über die Bibliographie des Luxemburgischen gibt es zahlreiche Zusammenstellungen:
Die älteren (bis 1912) siehe man in Pfarrer Blums Beiträgen zur luxemburgischen Literatur nach (3—8, Fortsetzung im II. Teil 1).
Prof. Hess «Die Sprache der Luxemburger» SS. 106—108, gibt die wesentlichen Werke des 20. Jahrhunderts an.
T. Kellens Bibliographie in «Jonghémecht» 1937, Heft 5—6, SS. 156—160, ist gründlich und verteilt die Aufzählung nach stofflichen Hinsichten.
Die beste und vollständigste Bibliographie ist in den Rheinischen Vierteljahrsblättern (1931, Heft 2, mit Ergänzung 1937, Heft 2—3 von Prof. Joseph Meyers veröffentlicht worden.
Über die Jahre 1919—1931 verdanken wir Jules Vannérus eine kritische Bibliographie «Douze années d'histoire luxembourgeoise» (Revue Belge de Philologie et d'Histoire 1931, Nr. 3), in der auch Sprache, Folklore und Ortsnamenkunde vollständig erwähnt sind.

15) Alfred Bertrang: Die sterbende Mundart. Vierteljahrsblätter für lux. Sprach. wissenschaft, Volks- und Ortsnamenkunde. 2. Jahrgang 1936. Heft 7. S. 135—152.


16) J. M. Remouchamps: Carte systématique de la Wallonie. Bulletin de la Commission royale de Toponymie et de Dialectologie. Bd. 9. 1935.


17) Alfred Bertrang: Grammatik der Areler Mundart. 1925.


18) Joh. Bapt. Kaiser: Das Archidiakonat Longuyon am Anfang des 17. Jahrhunderts. Visitationsbericht von 1628—1629. Bd. 2. Colmar 1929. S. 153.


19) Elisée Legros: Frontières des langues romanes en Belgique. Liège, 1948.


20) Joseph Meyers: Sprachgrenzen und Kulturkreise im Spiegel der Orts- und Gemarkungsnamen: Rodingen. Ons Hémecht 37. Jahrgang. Heft 3. S. 17—18.


21) F. Brunot: Histoire de la langue française. Tome IX. 1

re partie. Paris 1937. P. 541—571.


L. Zéliqzon: Aus der Wallonie. Gymnasialprogramm, Metz, 1893.
Paul Lévy: Les dialectes germaniques en Lorraine. Annuaire de la Société d'histoire de la Lorraine. Tome 32. 1923. P. 261—276.
Joseph Tockert: Die luxemburgische Sprachgrenze. Jahrbuch 1925 der luxemburgischen Sprachgesellschaft. S. 54—60.
Godefroid Kurth: La frontière linguistique en Belgique et dans le Nord de la France. Bruxelles. 1895—1898. (Veraltet).
Charles Dubois: L'influence des chaussées romaines sur la frontière linguistique de l'Est. Revue belge de philologie et d'histoire. IX. 1930. S. 455 ff, nebst Karte.
Franz Petri: Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich. Bonn 1937.

22) In Betracht kommen, außer den großen Wörterbüchern der Nachbarsprachen, besonders die folgenden: Rheinisches Wörterbuch, Erika Klopp-Verlag, Berlin und Bielefeld (im Erscheinen); Jean Haust, Dictionnaire Liégeois, H. Vaillant-Carmanne, Liège, 1933; Léon Zéliqzon, Dictionnaire des parlers romans de la Moselle, Librairie Istra, Strasbourg, 1922 ff.; Léon Pirsoul, Dictionnaire wallon-français du dialecte de Namur, Imprimerie Commerciale et Industrielle, Namur, 1934; M. Follmann, Wörterbuch der lothringischen Mundarten, Quelle & Meyer, Leipzig, 1909; P. Christa, Wörterbuch und Sprachgesetze der Trierer Mundart (2 Teile), Honnef, 1927, Selbstverlag.